Zu Hause in Almanya
Schloss? Meint er, ich fresse seine Wohnung auf, dieser Blödmann?« Sie kriegte sich gar nicht wieder ein.
»Lass doch«, sagte ich, »du hast ja noch andere Adressen auf der Liste, gehen wir dorthin.«
An diesem Tag schauten wir uns noch vier oder fünf verschiedene Wohnungen an, aber entweder sie gefielen uns nicht oder wir bekamen sie nicht. Nicht immer waren die Vermieter und Makler so offen wie der vorherige, im Gegenteil. Als wir an einer Wohnung klingelten, da wehte der Vorhang am Fenster und ein Kopf schimmerte durch. Offenbar wurden wir beobachtet, aber niemand machte auf.
»Das kann ja wohl nicht wahr sein«, schimpfte Ayla. »Die sind zu Hause und wollen uns nicht reinlassen. Dabei haben sie am Telefon gesagt, ich soll kommen.«
Aber am Telefon konnte man sie nicht sehen. Nicht ihre schwarzen Haare und nicht ihre dunklen Augen. Da Ayla ein akzentfreies Deutsch spricht, waren sie am Telefon wohl nicht auf die Idee gekommen, dass sie Ausländerin sein könnte. Aber als sie in voller orientalischer Schönheit vor ihnen stand, da schien sie wie ein rotes Tuch für ihre Vorurteile und Ängste zu sein, und dagegen ist jeder machtlos. Es ist verletzend und sogar erniedrigend, aber man kann in diesen Momenten nichts dagegen tun.
Wir gönnten uns ein schönes Eis in einem Straßencafé, bevor wir nach Hause gingen, und besprachen das weitere Vorgehen. Ayla entschloss sich, selbst eine Anzeige in die Zeitung zu setzen, in der sie ihre Herkunft andeuten, aber nicht verraten wollte, damit sie noch eine kleine Chance hätte. Sie bekam mehrere Angebote, schaute sie sich diesmal alleine an und machte meist ähnliche Erfahrungen. Mehrere Vermieter oder Makler wollten sie zurückrufen, und einige taten es letztendlich auch. Am Ende, nach einigem Bangen und Zittern, fand ihre Suche doch noch ein gutes Ende und sie bekam eine Wohnung, die ihr gefiel. Hätte Ayla in einer Großstadt wie Köln oder Berlin gesucht, dann hätte sie es vielleicht einfacher gehabt.
Solche Geschichten von vergeblicher Wohnungssuche und von deutschen Vermietern, die keine Ausländer wollen, hört man in türkischen Kreisen ständig. Da man, wenn es einmal geklappt hat, für die nächsten Jahre seine Ruhe hat, vergisst man sie auch schnell wieder und genießt die Gemütlichkeit im neuen zu Hause.
Aber es gibt eine Begebenheit, die ich persönlich nie vergessen werde, weil sie so einmalig ist und weil sie einer der Gründe ist, warum ich immer an das Gute im Menschen glaube.
Als ich eine Wohnung in Köln suchte, habe ich auch eine Anzeige in die Zeitung gesetzt. Ich wurde zurückgerufen, ging zur Besichtigung und wurde auch oft abgewiesen, wenn man von meiner türkischen Herkunft erfuhr. Sicher war das nicht der einzige Grund, und es gab vielleicht Bewerber, die dem Vermieter einfach besser passten. Aber die Herkunft war dennoch ein Kriterium. Nach langer Suche war ich frustriert, dass mir niemand seine Wohnung vermieten wollte, obwohl ich überzeugt war, eine gute Mieterin zu sein.
Eines Tages rief mich eine ältere Frau an. Sie habe eine Wohnung und wolle sie mir zeigen, sagte sie am Telefon. Wir unterhielten uns eine Weile über Gott und die Welt, und schließlich ging ich hin, obwohl die Wohnung nicht optimal klang.
Eine Dame von etwa 70 Jahren stellte sich als die Vermieterin vor und führte mich durch die Wohnung. Sie fragte mich auch, ob ich Türkin sei, und als ich das bejahte, sagte sie: »Mein Enkel hatte einen ganz lieben türkischen Freund, als er klein war, und sie spielten oft zusammen in unserem Garten. Er ist ja jetzt schon erwachsen, aber wir hatten ihn immer sehr gern, und auch seine Eltern waren ganz liebe Menschen. Und Sie sind auch eine sehr nette Frau.«
Ich war erstaunt; so viele gute Worte von einer Vermieterin zu hören war ich gar nicht gewöhnt. Es tat mir gut, mich mit ihr zu unterhalten.
»Hier, mein Mädchen, nehmen Sie den Schlüssel für die Wohnung, und kommen Sie und schauen Sie sich noch mal in Ruhe um, wenn Sie dazu Lust haben. Ich würde mich freuen, wenn Sie die Wohnung nehmen«, sagte sie. Ich war sprachlos, dass mir so etwas passierte.
Diese eine Frau hatte mich alle meine Enttäuschungen vergessen lassen. Ich kam wieder, schaute mir die Wohnung noch einmal an und habe sie schließlich genommen. Vielleicht auch deshalb, weil ich bei jemandem wohnen wollte, der mich auch als Türkin gerne hat. Weder sie noch ich haben es je bereut, dass ich dort eingezogen bin, denn wir hatten immer ein sehr gutes
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