Zu Hause in Almanya
Verhältnis zueinander und auch zu den vielen anderen Nachbarn.
»Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten«
Es gibt in der Medienwelt einen berühmten Spruch, den ein amerikanischer Zeitungsjournalist erfunden haben soll: »Only bad news is good news.« Oder man sagt auch: »Wenn ein Hund einen Mann beißt, dann ist das keine Nachricht, aber wenn ein Mann einen Hund beißt, schon.« Schließlich ist das nichts Alltägliches, es ist spektakulär, und jeder wird wissen wollen, was dahinter steckt, warum dieser Mann einen Hund beißt.
Diese Prinzipien sind wichtig im Journalismus, denn Zeitungen, Radios und Fernsehkanäle müssen mit ihren Informationen möglichst viele Menschen erreichen, um Profit zu machen. Normalerweise ist das auch kein Problem, denn wir Mediennutzer wollen schließlich das Interessanteste erfahren.
Doch die Sache hat einen Haken. Das Prinzip funktioniert nur dann richtig, wenn man schon genug über Hunde und über Männer weiß. Um die Sensation, die in der Schlagzeile »Mann beißt Hund« steckt, zu begreifen, muss allgemein bekannt sein, dass Hunde im Grunde genommen liebe Tiere sind und dass Männer sie üblicherweise nicht beißen. Erst dadurch wird klar, dass es sich um eine Ausnahmeerscheinung handelt und solche Fälle nicht den Normalzustand wiedergeben. Zudem muss man sich bewusst sein, dass es neben der einen schlechten stets jede Menge gute Nachrichten gibt – also die Mehrzahl der Hunde keine scharfen Männerzähne zu fürchten braucht. Wenn man jedoch diesen Zusammenhang nicht kennt, dann sieht die Sache anders aus.
So ähnlich verhält es sich mit den vielen Berichten über Türken, Ausländern, Zuwanderern oder »Menschen mit Migrationshintergrund«, wie es neudeutsch-gestelzt gerne heißt. Auch diese Begriffe sind mit der Zeit über die Medien verbreitet worden. Früher sagte man schlicht Gastarbeiter und Ausländer, doch heute weiß man, dass sich die Situation der Menschen und auch die Menschen selbst geändert haben. Dennoch: So wie man früher viele Dinge über diese Menschen nicht wusste, so gibt es auch heute noch vieles, das unbekannt ist.
Ich wundere mich zum Beispiel immer wieder, wie gering das Allgemeinwissen über die Türkei oder über die türkische Kultur in Deutschland ist, obwohl schon fast 16 Millionen Deutsche in der Türkei Urlaub gemacht haben, rund 100 000 Deutsche mit Türken verheiratet oder liiert sind und sicherlich mehrere Millionen auch Türken zu ihrem Freundeskreis zählen. Das Image der Türkischstämmigen ist trotz allem ziemlich negativ, wie Umfragen in Deutschland immer wieder zeigen.
Wenn man bedenkt, dass die meisten Menschen ihre Informationen aus den Medien beziehen und dass die Medien meist nach dem Prinzip »Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten« vorgehen, dann ist das vielleicht sogar verständlich. Was erzählen uns die Medien über Türken? Oder besser gefragt, was haben sie uns bislang immer erzählt?
Diese Frage ist nicht neu, im Gegenteil. Schon häufig wurde dieses Thema erforscht, wurden Zeitungsberichte analysiert, Zeitschriften auseinandergerupft, Radio- und Fernsehsendungen durchforstet. Alles auf der Suche nach dem Bild, das die Medien über Zugewanderte vermitteln. Diese Untersuchungen kommen fast alle zum gleichen Ergebnis: dass es zwar immer mal wieder objektive und vielseitige Berichte gibt, dass aber die große Mehrheit der Berichte einseitig ist und ein verzerrtes Bild von Türken und Ausländern und Zugewanderten wiedergibt. Meistens werden sie thematisiert, wenn es um Probleme geht, mit dem Kopftuch, mit Gewalt, mit Extremismus, mit Misserfolgen in der Schule und mit allerlei Unnannehmlichkeiten. Türkische Frauen sind dann ständig arme, unterdrückte Wesen, türkische Männer kriminell und gewalttätig, türkische Kinder erfolglos und dumm.
Einige Zeitungen und Zeitschriften stört es nicht sonderlich, dass sie mit ihren ewig gleichen Berichten solche Vorurteile schüren. Schließlich taugen diese Inhalte stets für spektakuläre Schlagzeilen und generieren viel Interesse. Andere Medien erkennen allmählich, dass diese ständige, einseitige Darstellung gesellschaftliche Unruhe stiftet und das gegenseitige Verständnis behindert, weil das grundlegende Wissen über die Normalität fehlt. Dabei könnten gerade Medien viel dazu beitragen, dieses Wissen zu vermitteln.
Das ist ein Grund, warum in Ländern wie England oder Holland schon seit langer Zeit Projekte duchgeführt werden, um die
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