Zu Hause in Almanya
mit besonderem Genuss ins Hinterteil zu pieksen.
Teil 5
Sen ve ben , du und ich
Wie wir alle »verschmelzen«
Hiphop for Germany
Als ich einmal in Istanbul auf einer Geburtstagsparty war, da erklangen neben türkischer Pop- und anatolischer Rockmusik plötzlich auch deutsche Töne. Ich war überrascht. Donnerwetter, dachte ich, hat es die deutsche Musik bis in die Türkei geschafft? In dem Getümmel der schwatzenden Menge spitzte ich die Ohren und erlebte gleich die zweite Überraschung. Es war nicht irgendeine Musik, sondern deutscher Hiphop, genauer gesagt, deutscher türkischer Hiphop. Denn manchmal wurde auch auf Türkisch gerappt, und solche Stücke wurden an diesem Abend noch öfter gespielt. Für alle Anwesenden war es offenbar völlig normale Musik.
Als ich später auf die Partymeile von Beyoglu ging, dem ultimativen Amüsierviertel von Istanbul, da tönten mir aus den vielen Clubs noch öfter diese Beats entgegen. Ich fand das richtig cool und hätte vor Stolz am liebsten die Leute angesprochen und gesagt: »Hört ihr? Das ist deutscher Hiphop, das ist unsere Musik aus Deutschland.«
Populär geworden ist der Hiphop in Deutschland zu Beginn der 1990er Jahre mit den Fantastischen Vier. Aber lange bevor sie in die Charts kamen, haben Kinder aus türkischen Familien in den Städten gerappt und ihren Breakdance gemacht. In den Jugendzentren, auf den Straßen, in Probenkellern und in Wohnungen hörten türkische Jungs und ihre Freunde aus anderen Ländern die Musik der Schwarzen und Latinos aus Amerika und begannen schließlich selbst, sie weiterzuentwickeln – zu einer Zeit, als auch amerikanische Soldaten, die in Deutschland stationiert waren, diese Musik aus ihrer Heimat hörten.
Der Hiphop in den USA entstand im Laufe der 1970er Jahre. Es war eine Zeit, in der die Schwarzen dort noch sehr benachteiligt wurden und unter Rassismus und Diskriminierung litten. Die Musik war für sie wie ein Ventil, mit dem sie ihren Frust ablassen konnten, es war ihre Art, untereinander zu kommunizieren. Später fingen auch die Weißen an, diese Musik zu mögen, und so wurde der Hiphop immer erfolgreicher. Es dauerte keine zehn Jahre, bis die Musik auch nach Deutschland kam. Hier wurde sie ab Mitte der 1980er Jahre vor allem von den türkischen Jugendlichen gehört. Vielen konnten sich gut damit identifizieren, weil auch sie von der Gesellschaft oft als Außenseiter gesehen wurden.
Die türkischen Eltern wunderten sich damals über den komischen neuen Tanzstil, bei dem ihre Kinder (und vor allem die Söhne) komische Verrenkungen und Verdrehungen machten. Wenn die Familien gemütlich zusammensaßen, dann wurde manchmal der Sohn gerufen, der vielleicht noch keine zehn Jahre alt war, damit er seinen Tanz vorführte und sich auf dem Kopf drehte. Der warf dann stolz seine Anlage an und amüsierte sein Publikum.
Das Rappen war am Anfang noch eine Sache für sich. Hiphop war nur dann original, wenn es englisch war. Aber langsam wurden auch deutsche Worte verwendet, wie es die Rapper von »Advanced Chemistry« offiziell erst 1992 machten. Vorher schon rappten die Jungs von »Fresh Familee« aus Ratingen ihre Gedanken ins Mikrophon. Es waren türkische und deutsche Jugendliche, die in ihren Lieder aus ihrem Leben erzählten, und das war nicht leicht in einem Stadtteil, in dem viele Leute arbeitslos waren und nur wenig Geld hatten. So hörte man in dem Lied »Ahmet Gündüz« plötzlich einen türkischen Vater rappen. Natürlich war es kein echter Vater, sondern der Sänger Tahir Cevik, der in dem Lied einen türkischen Vater, der als Gastarbeiter nach Deutschland kam, erzählen ließ:
»Mein Name ist Ahmet Gündüz, lass mich erzählen euch.
Du musst schon gut zuhören, ich kann nicht sehr viel Deutsch.
Ich komm von die Türkei, zwei Jahre her
und ich viel gefreut, doch Leben hier ist schwer.
In Arbeit Chef mir sagen: Kanacke, hey wie geht’s.
Ich sage: HastIrlan; doch Arschloch nix verstehn.
Mein Sohn gehen Schule, kann schreiben jetzt,
doch Lehrer ist ein Schwein, er gibt ihm immer Sechs.«
Dieses Lied wurde 1990 veröffentlicht und es gefiel den türkischen Jugendlichen, weil es genau die Frustation ausdrückte, die sie selbst seit vielen Jahren empfanden, und die gleichen Gedanken ausdrückte, die sie bewegten. Heute ist das Lied Kult und wird auf vielen Partys gerne gespielt.
Der Hiphop verbreitete sich immer mehr und wurde berühmter, aber die türkischen Rapper wurden es nicht. Wahrscheinlich hat die deutsche
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