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Zu Hause in Prag - manchmal auch anderswo

Zu Hause in Prag - manchmal auch anderswo

Titel: Zu Hause in Prag - manchmal auch anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenka Reinerova
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»Kostet nur ein paar Dinar.«
    Zufrieden erstand ich diesen weiteren Einrichtungsgegenstand für unseren erst im Entstehen begriffenen Haushalt.
    »Zum Wäschetrocknen?« wunderte sich Balk. »Und wo willst du diese sensationelle Erfindung des 20. Jahrhunderts in unserem Gemach befestigen?«
    Eine berechtigte Frage. Ich schaute mich forschend um und fand eine Lösung. Ich machte das Ding an der Lehne des Sessels meines Mannes fest, es spreizte gehorsam seine Holzstäbe, und auf jeder hing eine Windel zum Trocknen.
    »Du siehst wie ein Pfau aus«, bemerkte ich dabei zufrieden. In der Tat: der hochgewachsene Balk saß aufrecht auf seinem Stuhl, vor ihm auf dem Tisch stand die Schreibmaschine, und von seinem Rücken wehte ein halbes Dutzend weißer Windeln.
    Wir hatten häufig Besuch in dem Zimmer, in dem wir nun zu dritt hausten. Zwischen Bett, Wickeltisch und Kocher machten es sich manchmal auch Generäle der Partisanenarmee bequem, z. B. der Außenminister und einstige surrealistische Dichter Koča Popović, dem mein Pfauenarrangement so gut gefiel, daß er sich nur auf diesen Stuhl setzen wollte. Auch der schon erwähnte Chef des Sanitätsdienstes kam vorbei, um zu sehen, wie wir in unserer Einzimmerbehausung zurechtkamen, und mit ihm weitere Freunde Balks, die wie er im spanischen Bürgerkrieg auf seiten der Republik ärztliche Hilfe geleistet hatten. Alle bewunderten meinen Erfindungsgeist, und das beflügelte mich zu weiteren Expeditionen auf den Belgrader Straßenmärkten.
    Bei einem dieser Rundgänge fiel mein Blick auf einen kleinen Holzbottich, dessen einzelne Teile mit zwei Metallbändern zusammengehalten wurden. Wenn man da eine Windel hineinlegt, um den rauhen Holzboden zu bedecken, erwog ich, könnte man mein Kindchen besser baden als bislang in der großen Blechschüssel. Diesmal wares eine alte Frau, die eine beträchtliche Auswahl hölzerner Kochlöffel verschiedener Größe vor sich ausgebreitet hatte und dazwischen als einziges Paradestück eben den kleinen Bottich.
    »Was kostet das Ding?« erkundigte ich mich.
    »So gut wie nichts«, lautete die Antwort, »hundert Dinar.«
    »Na, na«, warf ich ein, denn ich hatte inzwischen gelernt, daß man auf balkanischen Märkten niemals den erstgeforderten Preis zahlen durfte, »zwanzig kriegen Sie von mir, nicht mehr.«
    »Zwanzig!« schrie die Frau beinahe. »Willst du, daß ich mit meinen Kindern verhungere, drugarica?«
    »Keineswegs, meine Liebe, nennen Sie einen vernünftigen Preis, und wir einigen uns.«
    Sie sagte siebzig und überließ mir den Bottich schließlich für fünfzig Dinar.
    »Beim erstenmal mußt du ihn einseifen, drugarica«, instruierte mich die Händlerin, »dann läßt er keinen Tropfen Wasser durch. Wirst ein Fußbad wie im Hotel Majestic haben.«
    Das nur teilweise beschädigte und verhältnismäßig gut funktionierende Hotel Majestic war im damaligen Belgrad der Inbegriff von Luxus und Eleganz.
    »Ich will in dem Bottich nicht meine Füße, sondern mein Kindchen baden.«
    »Ma nemoj!« rief die Frau aus und klatschte auch noch in die Hände. »Was du nicht sagst! Wenn ich das gewußt hätte, ich hätte dir gleich einen billigen Preis gesagt. Wie gut, daß du den Bottich fast umsonst bekommst. Und meine besten Wünsche für deinen kleinen Sohn dazu.«
    »Ich habe ein Töchterchen.«
    »Auch gut«, meinte sie und fügte mit einem leichten Seufzer hinzu: »Bist jung, kannst auch noch einen Sohn auf die Welt bringen.«
    In Serbien, das wußte ich bereits, mußte man vor allem einen Sohn haben. Das ging soweit, daß weibliche Wickelkinderoft mit »sinku«, Söhnchen, angesprochen wurden, wohl um die Schande ein wenig zu verheimlichen. Zunächst verblüffte mich das, ärgerte mich dann bald, so daß ich auf solche Vortäuschungen gern mit den Worten reagierte: »Wir sind so froh, ein kleines Mädchen zu haben!« Das verblüffte dann wiederum unsere serbischen Mitbürger.
    Als ich mit meiner neuesten Errungenschaft zu Hause ankam, machte Balk nur ein skeptisches Gesicht, sagte jedoch nichts. Ich traktierte den Bottich mit einem Stück echter kanadischer Kernseife, so daß er bald vielversprechend glänzte. Dann bedeckte ich seinen Boden mit einer Windel, holte einen Topf mit warmem Wasser vom Kocher und schüttete es in das künftige Kinderbad. Etwas begann zu knistern und zu knacken. Dann zuckten die einzelnen Holzplanken, schwankten ein wenig und blätterten sich gleich einer Lotosblume auseinander, was ganz hübsch aussah, auf dem

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