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Zu Hause in Prag - manchmal auch anderswo

Zu Hause in Prag - manchmal auch anderswo

Titel: Zu Hause in Prag - manchmal auch anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenka Reinerova
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sprang auf und lief auf ihn zu.
    »Ich wünsche Ihnen und Ihrer Frau alles Gute«, rief sie. »Machen Sie weiter solche Fortschritte, ich freue mich, Ihnen begegnet zu sein.«
    Der Mann rührte sich nicht von der Stelle, blickte sie nur immer noch lächelnd an. Die Frau löste ihren Arm aus dem seinen, umarmte Hanna und flüsterte:
    »Vielen Dank für diese Worte. Wirklich.«
    Dann strebten die drei dem Ausgang zu. Ein bißchen erregt ließ sich Hanna abermals auf ihren Stuhl fallen.
    Der Aufzug surrte unentwegt, brachte die neuen Gäste zu ihren Zimmern, die schon einheimischen zum Nachmittagsspaziergang im Park.
    In einer Gruppe dieser Aufzugsfahrgäste entdeckte Hanna die einstige Postbotin. Sie stützte sich mit einer Hand auf ihre Krücke, in der anderen hielt sie einen kleinen Strauß aus Wiesenblumen. Sie sah sich um, erblickte Hanna und rief:
    »Da sind Sie. Ich habe Sie schon in Ihrem Zimmer gesucht, hatte Angst, daß ich Sie nicht mehr erwische.«
    Ganz tüchtig humpelte sie zu ihr hin, reichte ihr den Blumenstrauß und sagte:
    »Soll ich Ihnen von Rudolf übergeben.«
    »Von Rudolf?«
    »Na, von dem Pokorny mit dem armen Gesicht.«
    Als sie Hannas erstaunte Augen bemerkte, fragte sie:
    »Kann ich mich ein bißchen zu Ihnen setzen?« Dabei ließ sie sich schon gemächlich nieder.
    »Sie mußten hier Ihren Kaffee in der Konditorei haben«, sagte sie, »ich spendiere mir am Abend gern ein Bier ›Beim grünen Krug‹. Unser Freund mit dem halben Gesicht war auch manchmal da, hat aber immer weggeschaut. Gestern ging er auf einmal geradenwegs zu meinem Tisch, teilte mir mit, daß er Pokorny heißt, und ob er sich bei mir niedersetzen darf. Ich glaubte, nicht richtig zu hören. Und dann sitzt er neben mir und schweigt. Mann, sagte ich nach einer Weile, was ist denn los? Ich fresse Sie doch nicht.«
    Hanna hörte aufmerksam zu, wurde dabei unruhig, konnte sich nicht erklären warum. Jeden Augenblick sah sie nervös zur Tür, wollte nicht gerade jetzt abgeholt werden. In der Empfangshalle war es schwül, ein Gewitter schien im Anzug zu sein. Die einstige Postbotin holte ein Taschentuch hervor, wischte sich über Stirn und Nacken und fuhr dann wieder in ihrer etwas langatmigen Erzählung fort:
    »Der Pokorny schwieg weiter. Auf einmal schaute er mich richtig an, ich meine, mit seinen beiden Augen oder dem, was da noch ist, und sagt, daß er uns zwei gesehen hat, wie wir miteinander im Park spazierten und redeten. Und daß Sie auch mit ihm geredet haben. Na also, Rudolf, ich darauf, da hast du ja zwei Frauen, die sich ganz gern mit dir unterhalten. Er brummte etwas, und dann brachte er ein paar verrückte Gedanken hervor, sprach von einem Hausengel und von Versöhnungssteinen und daß er jetzt endlich wieder mehr Licht im Kopf hat.«
    »Das hat er gesagt?«
    »Ja, genau so. Ich dachte, er spinnt, hat vielleicht ein Bier zuviel getrunken. Da druckste er mit einemmal ein bißchen herum und ob er mich um etwas bitten darf. Ich sagte, Mensch, Rudolf, mach doch keine solchen Geschichten, was gibt’s. Und er darauf, daß er weiß, Sie fahren heute weg, und ob ich Ihnen ein paar Blümchen von ihm bringen würde, soll aber ja nicht sagen, daß sie von ihm sind.«
    Sie reichte Hanna den schon ein klein wenig strapazierten Blumenstrauß.
    »Danke«, flüsterte die, weil sie sich in diesem Moment nicht ganz auf ihre Stimme verlassen konnte.
    »Was denn? Sie werden doch nicht etwa heulen?« meinte die einstige Postbotin und holte vorsichtshalber selbst von neuem ihr Taschentuch aus ihrem Beutel.
    Da mußten sie beide lachen. In diesem Augenblick ging die Tür der Empfangshalle auf, ein Mann und eine Frau blickten sich suchend um, Hanna sprang auf und rief:
    »Hier bin ich. Ich komme schon, fein, daß ihr da seid.«
    In eine Hand nahm sie ihre Reisetasche, in die andere den kleinen Blumenstrauß.
    Die einstige Postbotin erhob sich gleichfalls, ließ ihre Krücke auf dem Sessel und umfing Hanna kräftig mit beiden Armen.
    »Dem Rudolf bestell ich einen Gruß. Aber mir haben Sie kaum etwas von ihren Hausengeln und nichts von Versöhnungssteinen erzählt.« Sie lächelte verschmitzt. »Das müssen Sie das nächste Mal nachholen. Bleiben Sie schön gesund, und auch sonst wünsche ich Ihnen nur Gutes.«
    Wie sagte es doch der kleine Junge auf dem Karlsbader Promenadenweg? Einmal licht, einmal dunkel. Er ahnte wohl kaum, daß er damit eine einfache und unumstößliche Wahrheit aussprach.

Informationen zum Buch
    In London begegnet

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