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Zu Hause in Prag - manchmal auch anderswo

Zu Hause in Prag - manchmal auch anderswo

Titel: Zu Hause in Prag - manchmal auch anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lenka Reinerova
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aus. Eine Hilfsköchin, obendrein offensichtlich guter Hoffnung, am Tisch des Kapitäns! Hat man so etwas jemals gesehen! Das allein sprach schon Bände über die Zustände, die jetzt in Europa und insbesondere in seinen östlichen Staaten herrschen mußten. Unser Lotse leerte wortkarg seinen Teller, schlürfte geschwind den Kaffee und verließ so schnell wie möglich die unglaubliche Tischrunde.
    Als er uns endgültig verlassen hatte und das Schiff in offene See stach, tauchte zur allgemeinen Überraschung ein bisher unbekannter Mann an Bord auf, ein sogenannter blinder Passagier. Er entpuppte sich als ein Italiener namens Oreste Gnudi, vor Mussolinis Machtantritt sozialistischer Bürgermeister der Universitätsstadt Bologna. Als der Krieg aus war, konnte er es in der aufgezwungenen Emigration nicht mehr aushalten und erledigte die nicht enden wollenden bürokratischen Schwierigkeiten bei der Beschaffung aller notwendigen Stempel und Papiere für die Heimkehr mit einem jähen Beschluß auf seine Art. Er schlich sich in die Perast ein. Zwei Tage hatte er sich im Kohlenschuppen des Schiffes versteckt gehalten. Jetzt zeigte er sich zum Entsetzen unseres jungen Kapitäns. Dessen dalmatinische Heimat war im Laufe des Krieges von Italien besetzt und malträtiert worden. Und nun brachte er auf seinem Schiff ausgerechnet einen Italiener nach Hause mit. Man wird ihn in allen Dörfern an der adriatischen Küste als Dummkopf auslachen, wenn nicht gar mit Schimpf und Schande verjagen.
    Oreste Gnudi beruhigte ihn. Nichts dergleichen werdegeschehen, er habe durchaus nicht die Absicht, nach Jugoslawien einzureisen. Beim ersten Halt in einem italienischen Hafen werde er das Schiff verlassen. Die Überfahrt wolle er im übrigen, da er kaum Geld habe, unterwegs mit Arbeit bezahlen. Und so sah ich diesen älteren Mann Tag für Tag mit einem großen Pinsel hantieren, und wäre die Perast kein so schäbiger, überalterter und vom gefahrvollen Dienst in den alliierten Konvois vor allem in den Gewässern vor Neufundland gebeutelter Kahn gewesen, sie hätte unter seinen Händen zu neuer Schönheit erblühen können.
    Diese beiden unterschiedlichen Begebenheiten in den ersten Tagen an Bord, der angewiderte Lotse und der entschlossene Heimkehrer, bildeten eine Art Auftakt für unsere wochenlange Reise. Diesmal hauste ich nicht an Deck wie auf der Fahrt von Marseille nach Casablanca und von dort nach Mexiko, sondern schlief bequem in der Kajüte, die uns der junge Kapitän großmütig überließ. Sein eigenes Lager schlug er auf der Kommandobrücke auf.
    Die Männer der Perast-Besatzung, die für den gefährlichen Seedienst während des Krieges gut bezahlt wurden, hatten vor ihrer Abreise aus Kanada tüchtig eingekauft. Nun führten sie Nähmaschinen, Kühlschränke, Haushaltsgeräte, Asbestrollen, Nägel und Draht mit und was man sonst noch braucht, um ein halb zertrümmertes Haus wieder bewohnbar zu machen. Sie hatten auch Säcke mit Getreidesamen und getrocknetem Viehfutter, Bleistifte und sonstigen Schulbedarf für ihre schlimm ausgeplünderten Familien und Dörfer dabei, neben Kinderkleidern, Zahnbürsten und Spielsachen. All dies war in der geräumigen Kapitänskajüte untergebracht, sorgfältig in ihrer Mitte aufgestapelt und lose, aber verläßlich auf Seemannsart mit Seilen umspannt. Vor dem Einschlafen betrachtete ich gerührt die Menge dieser liebevoll, klug und zweckmäßig zusammengetragenen Geschenke. Die Kabine an sich war nicht gerade einladend. Es gab hier nur eine Schlafkoje, normalerweise wahrscheinlich auch einen Tisch und eine Sitzgelegenheit. Bei dieser Reise hatte jedoch die gesamte übrigeEinrichtung dem umfangreichen Mitgepäck weichen müssen. Gerade die ungewöhnliche Reisefracht machte sie mir aber vertraut.
    Einige Tage ging alles ganz glatt. Eines Morgens erschreckte mich unerwartet das plötzliche Aufziehen einer pechschwarzen Wand, die sich am Horizont sehr schnell vom Himmel bis auf das Wasser herabzusenken schien. Wollte uns Neptun oder der liebe Gott die Rückkehr ins verwüstete Europa verweigern? War das ein bösartiges oder gnadenvolles Vorhaben?
    »Offenbar ein Unwetter, das von keiner Station vorgemeldet wurde«, bemerkte Kapitän Ante besorgt auf meine Frage, was die schwarze Wolkenwand bedeuten könnte. Sein Steuermann fügte trocken hinzu: »Und kein geringes!«
    »Müssen wir da durch?« erkundigte ich mich einfältig.
    »Wir wollen versuchen, dem Schlimmsten auszuweichen, den Sturm ein wenig zu

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