Zu Hause in Prag - manchmal auch anderswo
die Erzählerin der Titelgeschichte einer jungen Obdachlosen. Als sie sich fragt, was dem Mädchen zugestoßen sein könnte, erinnert sie sich der ruhelosen Zeit ihrer Emigration fünfzig Jahre zuvor: wie sie, kaum neunzehnjährig, in Paris lebte, ins Gefängnis, später ins Internierungslager gebracht wurde, wie sie sich in Marseille und Casablanca durchschlug und es ihr schließlich gelang, nach Mexiko zu kommen. Obwohl sie dort mit interessanten Menschen zusammenlebte, empfand sie das aufgezwungene Exil als Fluch. Trotzdem versuchte sie aus jedem Ort, und mochte er noch so unwirtlich sein, ein Stück Zuhause zu machen.
Auch »Mein Hausengel« erzählt vom Exil. Im Marseille des Jahres 1941 hoffen Exilanten auf eine Gelegenheit, den Kontinent verlassen zu können. Unter ihnen ein tschechischer Arzt, der einsam durch die Straßen irrt, bis er dem Mädchen Darinka begegnet. Allein ihre Anwesenheit weckt Hoffnung und Zärtlichkeit in ihm, so daß er schließlich traurig ist, als er seine Schiffskarte bekommt.
In der Geschichte »Das halbe Gesicht« trifft eine Frau einen schrecklich verstümmelten Mann, der sich kaum unter Menschen wagt. Langsam gelingt es ihr, sein Vertrauen zu gewinnen.
Gerade weil diese anrührenden Erzählungen auf autobiographischen Erfahrungen beruhen, vermitteln sie, selbst wenn verzagte oder verzweifelte Momente geschildert werden, Ermutigung und Zuversicht.
Informationen zur Autorin
L ENKA R EINEROVÁ wurde 1916 in Prag geboren. Seit 1936 arbeitete sie als Journalistin für die Arbeiter-Illustrierte-Zeitung. 1938 floh sie nach Frankreich, wo sie wie viele Emigranten interniert wurde. Über Marokko entkam sie nach Mexiko. Nach Kriegsende kehrte sie mit ihrem Mann, dem Schriftsteller und Arzt Theodor Balk, nach Europa zurück, lebte einige Jahre in Belgrad und seit 1948 wieder in Prag. Anfang der fünfziger Jahre wurde sie ein Opfer der stalinistischen Säuberungen, verbrachte fünfzehn Monate in Untersuchungshaft, wurde danach mit ihrer Familie in die Provinz abgeschoben und erst 1964 rehabilitiert. Nach dem Ende des Prager Frühlings erhielt sie Schreibverbot, wurde aus der Partei ausgeschlossen und verlor ihre Arbeit in einem Verlag. Sie lebt in Prag.
1999 erhielt sie als erste den Schillerring der Deutschen Schillerstiftung. 2002 Ehrenbürgerin von Prag.
Zuletzt erschienen: »Das Traumcafé einer Pragerin« (Erzählungen, 1996), »Mandelduft« (Erzählungen, 1998), »Zu Hause in Prag – manchmal auch anderswo« (Erzählungen, 2000) und »Alle Farben der Sonne und der Nacht« (2003).
Weitere Kostenlose Bücher