Zu nah am Feuer: Roman (German Edition)
aufgetaucht, auch wenn es Hinweise darauf gab, dass irgendjemand eine Woche zuvor dort gewesen war; sie hatten Abdrücke von Stiefeln gefunden, Schuhgröße vierundvierzig, mit schrägem Muster. Interessanterweise hatten sie am Abdruck Benzin festgestellt. Vielleicht hatte der Stadtstreicher ja versucht, ein kleines Lagerfeuerchen zu machen.
Kennys Ansicht nach handelte es sich um einen zufälligen Brand mit unbekanntem Auslöser, verursacht von einem nachlässigen Stromer, aber Joe war anderer Auffassung. Er war sich allerdings nicht sicher, ob sein Urteil durch die Ereignisse der Vergangenheit beeinflusst war oder auf seiner Intuition beruhte.
Kennys Theorie, die dieser erst heute Morgen bei einer Hochhausinspektion in der Innenstadt, wo sie penibel Baupläne und Feuer-Fluchtrouten überprüft hatten, entwickelt und gerne allen mitgeteilt hatte, lautete, dass beides im Spiel gewesen sei. Dass Joe wegen seiner schwierigen Jugend dazu neige, andere Menschen auf Abstand zu halten, und nie den echten Joe Walker rauslasse.
Joe hatte sich revanchiert – und darauf hingewiesen, dass er sehr viel herausgelassen habe, und Kenny dabei als Beispiel angeführt, worauf sein Partner nur die Augen verdreht hatte. »Du brauchst eine Frau, eine gute, auf lange Sicht.«
»Und das sagt mir einer, der die Frauen wechselt wie die Hemden.«
»Das liegt nur daran, dass ich noch nicht die Richtige gefunden habe – was ich aber fest vorhabe.« Kenny nahm die Herausforderung lächelnd an. »Kannst du dasselbe von dir behaupten?«
»Ja.« Er erwiderte Kennys Spott, indem er mürrisch dreinschaute. »Außerdem kann ich ja nichts dafür, dass man mir immer wieder den Laufpass gibt.«
»Kannst du doch. Du öffnest dich nicht genug. Wie oft habe ich dir schon gesagt, du musst aus der Schule plaudern, sozusagen das Tor weit aufmachen. Frauen stehen auf so etwas.«
»Ich bin seit zwei Monaten mit Cindy zusammen.«
»Weil sie dich toll findet, und du bist so erbärmlich, dich davon auch noch beeindrucken zu lassen. Aber früher oder später merkt sie, dass du ein Schweiger bist, und sie wird dich verlassen. Komm schon, Joe, du bist nicht mehr der dicke Junge. Lass mal eine Frau an dich heran. Geh mal eine echte Gefühlsbindung ein.«
Joe hatte damals eine Antwort gebrummelt, und jetzt tat er’s wieder. Also, er ließ die Menschen nicht an sich heran – na und? Das hielt er so seit seiner Jugend. Die Menschen machten ihre Erfahrungen und gingen ihrer Wege. Er musste kein Arsch von Alkoholiker sein, der seine Kinder prügelte, um sich wie ein Mann zu fühlen.
Aber er wusste auch, dass es ihm schwerfiel, Gefühlsbindungen einzugehen. Denn wenn er das täte, würde er sich allzu offen, allzu verletzlich fühlen.
Außerdem war er völlig zufrieden mit seinem Leben, wie es im Augenblick war.
Wirklich, verdammt noch mal.
Seine Tür öffnete sich – was bedeutete, dass jemand das »DRAUSSEN BLEIBEN!«-Schild unverschämterweise ignoriert hatte. Er sah auf, bereit, den Eindringling anzuraunzen.
Da lächelte Summer ihn an. »Ist ja ein freundliches Schild, da an deiner Tür.«
»Wenn es freundlicher wäre, hätte es ja keine abschreckende Wirkung.«
»Diesmal hatte es keine.« Sie schloss die Bürotür hinter sich.
Er legte seinen Kugelschreiber beiseite und bemühte sich, angesichts dieser schönen, lächelnden, freundlichen Frau, die ihn absurderweise an eine Zeit erinnerte, über die er lieber nicht nachdachte, die Fassung zu bewahren. »Was willst du?«
»Hm.« Summer trat einen Schritt vor. Sie trug einen farbenfrohen Rock mit Blumenmuster, der ihr tief auf den Hüften saß und nicht ganz bis zum Bündchen des rotweiß gestreiften Tank Tops reichte. Der sichtbare Streifen Bauch war glatt, flach und sonnengebräunt. Am Bauchnabel glitzerte ein kleiner Goldring.
Zum zweiten Mal in dieser Woche fühlte Joe sich wie achtzehn. Geil und erbärmlich.
Und brauchte einen Donut.
»Interessant und gefährlich«, sagte sie leise und sah ihm nochmals in die Augen. »Ich meine die Frage, was ich will.«
Plötzlich kam es ihm irgendwie heißer im Zimmer vor. Er widerstand dem Drang, den Kragen zu öffnen. »Ich finde, das ist eine ganz einfache Frage«, entgegnete er ruhig.
»Klar. Aber um ehrlich zu sein – ich will sehr viel.« Sie musterte ihn ziemlich lange und setzte sich dann langsam auf einen Stuhl, schlug ihre langen Beine übereinander und ließ eine Sandale spielerisch von ihrem großen Zeh baumeln. »Du hast inzwischen drei
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