Zu nah am Feuer: Roman (German Edition)
hatte ihre Mutter ja geglaubt, dass sie das alles hier nicht interessierte, dass sie einfach von zu Hause fortgegangen war und nie einen Blick zurückgeworfen hatte.
»Wie lange bleibst du wirklich – was meinst du?«, fragte Camille.
Eine ehrliche Frage. Summer bemühte sich um eine ehrliche Antwort. »So lange, bis die Sache mit dem Brand geklärt ist.«
»Das kann Wochen dauern.«
»Das macht nichts. Ich möchte es.« Und ich hoffe, du möchtest es auch.
Camille schwieg einen langen Augenblick. »Also gut. Gehen wir hinein. Mal sehen, was du tun kannst.«
In den Räumen von »Creative Interiors« war früher ein Premium-Bootsgeschäft untergebracht gewesen. Das Gebäude aus dem Jahr 1926 war in den fünfziger Jahren umgebaut worden, nachdem die ursprünglichen Besitzer es verkauft hatten. Direkt auf der anderen Straßenseite lag ein weiteres Einrichtungsgeschäft, Camilles stärkste Konkurrenz, »Ally’s Treasures«. Camille war auf Ally nicht gut zu sprechen, da diese in ihrem »Creative Interiors« die Preise auskundschaftete, um sie dann in ihrem eigenen Laden weit zu unterbieten.
In Wirklichkeit jedoch hatte das Konkurrenzverhältnis weder dem einen noch dem anderen Laden geschadet. Onkel Bill hatte erst kürzlich die Fassade in glänzendem Creme mit marineblauen Zierstreifen gestrichen. Und anschließend ein farbenfrohes Aushängeschild mit der Aufschrift CREATIVE INTERIORS: … AUS FREUDE AM STRANDLEBEN! gemalt.
Das Innere bestand aus einem großen Ausstellungsraum mit zwei kleinen Alkoven an jeder Seite. Dahinter befanden sich die Büroräume, der Aufenthaltsraum für die Angestellten und die Lagerräume. Die rau verputzten Wände waren in der Farbe geschmolzener Butter gestrichen. Der wie eine teure Yacht eingerichtete Verkaufsraum war voller Möbel, Fotos und allem möglichen Krimskrams, wie zum Beispiel Bills Keramikleuchttürmen und Büchern aus Tims Sammlung alter Reisebücher. Außerdem hübschen, weichen Sofas mit Decken über den Rückenlehnen, Lampen, die ein sanftes Licht spendeten, und Teppichen auf dem Holzboden, der von den Angestellten leicht zu pflegen war.
Die Mitarbeiter hatten Tina und Camille überwiegend aus dem Kreis der Familie rekrutiert. Tina hatte drei Kinder aus erster Ehe. Wenn Chloe, die Älteste, im Laden arbeitete, zeigte sie normalerweise ziemliche Allüren. Chloes jüngere Zwillingsschwestern, Diana und Madeline, waren Highschooldiven, die sich zur Mitarbeit im Laden gezwungen sahen, wenn sie knapp bei Kasse waren – also fast immer.
Früher hatte Summer ihren Cousinen nahegestanden, doch bei ihrem Fortgang waren sie noch klein gewesen. Inzwischen war zu viel Zeit vergangen, und die Mädchen konnten, aus welchen Gründen auch immer, einander nicht ausstehen. Im Grunde aber kannte Summer den Grund, warum sie Distanz zu ihr hielten.
Sie hatten das Gefühl, von ihr verlassen worden zu sein. Was ja auch zutraf.
Darüber hinaus gab es noch einige Mitarbeiter, die nicht zur Familie Abrams gehörten. Stella und Greg waren ein unkompliziertes, sympathisches Ehepaar in den Dreißigern. Sie halfen bei der Verwaltung des Lagers und standen auch im Laden. Der jüngste Neuzugang war Braden Cahill. Der großgewachsene, dunkle und schweigsame Mittzwanziger kam von außerhalb; niemand wusste viel über ihn – außer dass er gut anzuschauen war und einen Computer bedienen konnte.
Als Camille, Socks und Summer das Ladengeschäft betraten, läutete die Türglocke eine Melodie. Diana und Madeline, die am Verkaufstresen standen, hoben gleichzeitig den Kopf.
Camille winkte ihnen zu und wandte sich dann an Summer. »Ich verschwinde mal kurz im Büro. Ich werd darüber nachdenken, ja? Und wenn du es wirklich möchtest, dann gebe ich dir etwas zu tun.« Und damit schnappte sie sich Socks und ging nach hinten.
Allein gelassen, lächelte Summer ihren Cousinen zu. Diana war groß und gertenschlank und trug derart viel Augen-Make-up, dass Summer sich fragte, wie sie die Augen überhaupt noch aufbekam. Sie trug ein pfirsichfarbenes, rückenfreies Oberteil mit passendem Rock, ein kleines, diamantfarbenes Herz-Tattoo auf dem Schulterblatt und einen missmutigen Zug um den Lipglossmund. Madeline hatte die gleiche schlanke Figur, trug aber ausgeblichene Hüftjeans, ein winziges, eng anliegendes hellblaues Stretch-T-Shirt und fast kein Make-up.
Ehe Summer eine ihrer beiden Cousinen begrüßen konnte, kam Tina von hinten herbeigelaufen. Wie die anderen war auch sie groß und schlank, und
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