Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
lassen?«
Al-Manßur glitt vom Brunnenrand und entzog sich Welids Zugriff. Sein Gesicht verfärbte sich.
Jetzt wird es geschehen, dachte Welid. Entweder er sticht mich nieder, oder er ruft seine Schergen, dass sie es für ihn besorgen.
Doch kein Finger zuckte an al-Manßurs Hand, kein Ton kam aus seiner Kehle, nur mit seinen weit aufgerissenen Augen hielt er den Milchbruder in Bann.
Welid senkte nicht den Blick vor dem seines Gegenübers, sondern gab ihn zurück, wie man im Zweikampf mit dem Gegner die Klinge kreuzt. Sein Zorn war einer eisigen Kälte gewichen. Endlich wandte al-Manßur sein Auge von ihm und fragte unheimlich leise:
»Und wie willst du deine Unschuld beweisen?«
»Beweisen? Eine Schuld kann man vielleicht beweisen. Eine Unschuld in einem Falle wie diesem niemals. Darum sagt ja auch der Prophet (gepriesen sei er um seiner Gerechtigkeit und Weisheit willen!): ›Wer eine unbescholtene Frau des Ehebruchs bezichtigt, bringe vier Zeugen ...‹«
»... und diejenigen, welche züchtige Frauen verleumden und hernach nicht vier Zeugen beibringen können, die soll man geißeln mit achtzig Hieben und nie wieder ein Zeugnis von ihnen annehmen. Meinst du, du müssest mich im Koran unterrichten? Und was sollte es mir helfen? Nie wird in dieser Sache die Wahrheit an den Tag gebracht werden!«
»Und nie wirst du wollen, dass sie an den Tag gebracht wird! Denn dann müsstest du die Schuld am Tode deines Sohnes ganz auf deine Schultern laden. Und nie hat er sich mehr als dein Sohn ausgewiesen als gerade bei seinem Tode. Als man ihm bedeutete, dass er sich zum Sterben bereitmachen solle, rief er: ›Sagt meinem Vater, ich lasse ihm danken dafür, dass er mir sein Wort so schnell gebrochen und die Sache so kurz abgemacht hat.‹ Sprang vom Pferd, kniete nieder und hielt den Kopf so aufrecht, dass ihn dein Scherge mit einem einzigen Säbelhieb vom Rumpf trennen konnte. Nun überlege, wen du in diesem Verhalten wiedererkennst - dich oder mich?«
Al-Manßur schwieg. Endlich sagte er:
»Und um mir diesen Schmerz anzutun, bist du gekommen?Gekommen, obwohl du wusstest, dass ich dich suchen ließ, weil ich noch eine andere Rechnung von dir einzutreiben hatte? Hasst du mich so sehr, Welid?« »Nicht weil ich dich hasse, sondern weil ich meine Schuld dir gegenüber los sein will, bin ich gekommen. Ich hatte mich verpflichtet, dir immer wahr und ungeschminkt zu sagen, was ich denke ...«
»Und du hast mich angelogen?«
»Das nicht, wieso? Ich habe nur eines Tages den Mut nicht mehr aufgebracht, dir Rede zu stehen, und deshalb floh ich über Land und Meer. Aber Allah hat nicht gewollt, dass ich mit dieser Last auf meiner Seele sterbe. Und deshalb bin ich gekommen, dir diesen Dienst zu leisten — wenn du ihn noch haben willst, wenn es nicht schon zu spät ist.«
»Es ist zu spät. Was kannst du mir sagen, das ich nicht selber wüsste? Was mir vorhalten, das ich mir nicht selbst vorhalte?
Den Tod von Ibn Kennun? Gewiss, ich hatte meinem Vetter Askeladscha, den ich gegen ihn ins Feld schickte, die Vollmacht erteilt, ihn seines Lebens zu versichern, wenn er sich ergäbe. Aber muss man jemandem Wort halten, der das seine selbst gebrochen hat? Oder den Tod Askeladschas? Konnte sich der Wicht nicht auf ein Missverständnis herausreden, wäre seiner Ehre nicht damit Genüge geschehen? Aber nein, er musste mich überall als einen Meineidigen hinstellen, bis mir die Galle überlief. In Wahrheit konnte dieser Sohn Abu Haukals es nicht verwinden, dass ich ihn überflügelt hatte, ich, der Sohn eines Mannes, der verschuldet gestorben war, ihn, den reichen Prahler, der sich überall mit seiner Pferdezucht, seinen Prachtgewändern, seiner üppigen Lebensführung hervortat. Vielleicht meinte er, mir endlich den Rang ablaufen zu können, wenn er mich bloßstellte. Nun soll er das tun am Jüngsten Tage!
Oder dass ich der Mutter des Kalifen die Treue brach? Ja, war sie denn meine Gattin, dass sie Anspruch auf meine Treue hätte erheben können? Lag die Untreue nicht in erster Reihe bei ihr, die ihren Gatten vergaß und sich einen Liebhaber suchte? Ist es meine Schuld, dass sie ihren Sohn verdarb und zum Regieren untauglich machte? Wollte nicht sie, nachdem sie die Süße der Macht gekostet hatte, ihn davon um jeden Preis fernhalten? Ist nicht sie, als ich ihr deine Schwester vorstellte, auf den Gedanken gekommen, sie dem Dreizehnjährigen zuzuführen, weil sie hoffte, Marjam werde ihn so bezaubern, dass er in ihren Armen alles andere
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