Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
lang mit solchen Dingen nicht befassen müssen. Der nächste Verwandte, an den er sich um Hilfe wenden konnte, war Abu Haukal, der Bruder seines Vaters. Er besaß ein Gut und ein Gestüt in der Nähe von Murcia. Es war ein langer und beschwerlicher Weg dorthin, doch Muhammad scheute die Mühe nicht, und Welid begleitete ihn.
Das Gut lag auf einer weiten Hochebene, die mit Korkeichen bestanden war. Die Pferde grasten friedlich auf ihrer Koppel. Sie waren von edler andalusischer Rasse, schlankhalsige Tiere, ihr Wiehern klang den Ankömmlingen entgegen wie ein Willkommensgruß.
Im Hause des Oheims herrschte reges Leben. Es roch schon von Weitem nach Gesottenem, und Gäste saßen auf weichen Kissen in der großen Empfangshalle des Hauses.
Die jungen Burschen blieben an der Tür stehn, während ein Sklave dem Hausherrn ihre Ankunft meldete. Abu Haukal stand sofort auf und ging seinem Neffen entgegen.
»Friede sei mit dir, mein Sohn«, begrüßte er ihn, »wie gut, dass du kommst, ich wollte gerade meinen Boten zu dir schicken. Ich habe heute den Ehekontrakt unterzeichnet für meine Tochter Maila. Sie wird Said ibn Athir heiraten, den Sohn meines Nachbarn, er ist vom Stamme Temim wie deine Mutter. In vierzehn Tagen soll Hochzeit sein. Du kannst gleich hierbleiben. Komm, ich mache dich mit dem Bräutigam bekannt.«
Über Welid, der bescheiden an der Tür stehn blieb, sah Abu Haukal hinweg.
Aber Muhammad entgegnete: »Nicht um Feste zu feiern, bin ich gekommen, sondern um dir mitzuteilen, dass mein Vater gestorben ist.«
Abu Haukals Gesicht verfinsterte sich. Er sprach halblaut die in einem solchen Falle üblichen Redensarten und sagte dann: »Du wirst mit mir allein sprechen wollen, Muhammad. Komm! Dein Begleiter kann unterdessen die Pferde versorgen.« Und er führte den Neffen in einen kleinen Raum, in dem eine Truhe das einzige Möbelstück war. Eine Matte lag am Boden, auf die er sich niederließ. »Setz dich, Muhammad«, sagte er, »hier sind wir ungestört.«
Er unterbrach den Neffen mit keinem Wort, der ihm alles erzählte, was er vom Tode seines Vaters erfahren hatte. Und als Muhammad mit seinem Bericht zu Ende war, schwieg Abu Haukal lange. Dann brach es plötzlich aus ihm heraus:
»So musste es kommen!«
Seine Schnurrbartspitzen zitterten vor Erregung. »So musste es kommen! War es auch notwendig, in seinem Alter noch auf die Wallfahrt zu gehn? Wer tut das schon hier in Andalus?«
Muhammad sah den Oheim entsetzt an und antwortete nicht. War es möglich, dass ein Moslem es derart missbilligte, wenn ein frommer Mann eine Gefahr auf sich nahm, um seiner Pflicht Gott gegenüber zu genügen? Da nahm wieder Abu Haukal das Wort.
»Hat mein Bruder wenigstens seine Töchter verheiratet, ehe er auf Reisen ging? Wie alt sind sie? Wenn ich recht weiß, doch älter als meine Maila.«
»Siebzehn und achtzehn Jahre.«
»Siebzehn und achtzehn Jahre. Und ihr Vater lässt sie unverheiratet zurück! Da bin ich es wohl nun, der für sie einen Gatten zu besorgen hat?«
»Nein, ich. Mein Vater hat die Sorge für Mutter und Schwestern mir übertragen.«
»Du - schau einer an. Tatsächlich, der Bart beginnt dir schon zu sprießen. Also fühlst du dich als Familienoberhaupt?«
»Allerdings.«
In Muhammads Innerem braute sich ein Sturm der Empörung zusammen über den Ton, den sein Oheim ihm gegenüber anschlug. Doch er hielt sich mit Gewalt zurück. War er doch auf Abu Haukals Hilfe angewiesen.
»Es gebührt mir als Sohn nicht«, sagte er nur, »das Verhalten meines Vaters zu beurteilen. Aber als sein Erbe habe ich seine Schulden zu begleichen. Deshalb habe ich dich aufgesucht, um dich zu bitten ...«
Abu Haukal ließ ihn nicht zu Ende sprechen.
»Schulden?« rief er mit sich überschlagender Stimme. »Schulden hat mein Bruder hinterlassen? Hatte nicht so viel erspartes Geld, um die Kosten einer Pilgerreise zu bestreiten? Andere mit seinen Kenntnissen ...« Er unterbrach sich, stand von der Matte auf und machte einige Schritte im Zimmer auf und ab. Ehe Muhammad etwas erwidern konnte - zu unerwartet kam dieser Anwurf, als dass er gleich eine Entgegnung zur Hand gehabt hätte - fuhr Abu Haukal fort:
»Freilich, wenn es sich herumspricht, dass der Schreiber eines Ministers die Leute, die ihm Geschenke anbieten, zur Tür hinauswirft, und wenn ein Fakih, der um eine Fetwa angegangen wird, sich nicht die Mühe macht, sie so abzufassen, dass sie zugunsten des Höhergestellten, Einflussreicheren spricht ... Es gibt
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