Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
mussten die, die seinem Oheim verblieben waren - es war immer noch eine stattliche Herde, Muhammad hatte sie ja gesehen -, um so mehr im Werte gestiegen sein. Bei gutem Willen also müsste der Oheim ihm helfen können. War es nicht schließlich auch das Schloss seiner eigenen Ahnen, das sonst in fremde Hände übergehen würde?
Als ob Abu Haukal dem Neffen diese Gedanken von der Stirn abläse, sagte er: »Eines kann ich tun, wenn du meinen Rat befolgst. Ich kann deine Mutter zu mir nehmen und sie bei mir behalten, solange sie deinen Bruder stillt. Bis derweil wird sie sich über den Verlust ihres Gatten getröstet haben und froh sein, wenn ich für sie einen ändern finde.«
»Ich danke dir für deine Großmut, Bruder meines Vaters«, antwortete Muhammad mit einer übertrieben tiefen Verbeugung, »aber ich kann dir ein so großes Opfer nicht zumuten.« Und er verließ den Raum.
»So warte doch, warte! Lass mit dir reden! Du wirst doch nicht schon weggehen wollen, du hast ja Askeladscha noch nicht begrüßt und Maila nicht beglückwünscht.« Abu Haukal lief hinter dem Neffen her, war aber zu kurzatmig, um den Eilenden einzuholen.
Nein, Muhammad verlangte nicht nach seinem Vetter Askeladscha, der ihm im Alter von allen Kindern seines Oheims am nächsten stand, noch nach seiner Base Maila. Er fühlte plötzlich einen Widerwillen gegen seine ganze Verwandtschaft und freute sich, als er Welid sah, der eben aus der Stalltür trat.
»Wo sind unsere Pferde?«
»Ich habe ihnen gerade Futter gegeben. Sie stehen im Stall.«
»Hole sie wieder heraus.«
Sehr einsilbig war Muhammad auf dem Heimweg. Verlor über den Oheim und dessen Geiz und Verständnislosigkeit kein Wort. Aber er strengte sein Pferd an, um möglichst bald nach Hause zu kommen, und sagte, als Welid ihn nach dem Grund seiner Eile fragte: »Ich kann es nicht erwarten, mit meinem Schicksal die Klinge zu kreuzen.«
Er verlor auch nach seiner Rückkehr keinen einzigen Tag. Das Wichtigste war, die Gläubiger zu beschwichtigen. Er suchte sie alle auf und versprach ihnen, dass er Jahr für Jahr nach der Ernte einen Teil der Schuld tilgen wolle. Das Angebot war nicht eben günstig. Doch er scheute sich, mehr zu versprechen, als er halten konnte.
Es lag bei diesen Verhandlungen ein Ernst auf seinem Gesicht, der ihn um Jahre älter erscheinen ließ, als er war. Denn er hatte eben erst seine Mündigkeit erreicht. Die Geldmenschen erkannten mit sicherem Blick, wen sie vor sich hatten. Einer der Kaufleute sagte zu seinem Geschäftsfreund: »Er ist klug und redlich und weiß, was er will. Solche Männer bringen es zu etwas. Wir werden unser Entgegenkommen nicht zu bereuen haben.«
Und ein Freund seines Vaters, der allerdings die kleinste Summe zu verlieren hatte, nahm sich den zweihundertachzigsten Vers der Koransure »Die Kuh« zu Herzen: »Wenn sich jemand in Geldschwierigkeiten befindet, so warte mein bis zur Zahlungsfähigkeit, und dass ihr es schenkt, ist besser für euch, wenn ihr einsichtig seid«, und erließ ihm die ganze Schuld.
Er half ihm auch, die restlichen Gläubiger zu überreden, und brachte sie schließlich alle zur Einwilligung bis auf Ibn Takrib, einen berüchtigten Geizhals, der seine Schätze in Truhen verbarg und sogar seine Frauen darben ließ. Zwar willigte auch er in den Aufschub ein, forderte dafür aber die doppelte Schuldsumme zurück.
»Was«, herrschte Muhammad ihn an, »ein Riba-Geschäft willst du machen? Wucher treiben, obwohl Allah das verboten hat?«
»Sag es ihm zu«, flüsterte der Freund Abu Hafs’, der Muhammad begleitet hatte. »Er kann es ja nicht eintreiben, weil das Gesetz es nicht zulässt.«
»Das Gesetz lässt auch den Wortbruch nicht zu«, gab Muhammad ebenso leise zurück.
»Also nicht Riba.« Ibn Takrib lächelte hämisch.
»Die einfache Schuldsumme, aber gleich.«
Da verkaufte Muhammad aus seinen Ställen fast alle Tiere, selbst die Reitpferde. Nur das notwendigste Zugvieh behielt er und einen einzigen Esel. Und mit dem Erlös konnte er den Lästigen abfinden.
Die Ernte begann in diesem Jahr früh und gab reichen Ertrag. Es wurde aber nur so viel davon zurückgehalten, wie die Hausgenossen für den nächsten Winter unbedingt brauchten. Mit Gästen musste man nicht rechnen; in einem Hause, in dem der Hausherr fehlt, stellen sich keine ein.
Boreiha und ihre Töchter merkten von all den Nöten, mit denen sich Muhammad herumschlug, kaum etwas. Ihre Sorgen bewegten sich um Mondhir, der eben wieder zahnte und
Weitere Kostenlose Bücher