Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
Zimmer, die ihr Licht nur vom Hof erhielten, waren eng und dunkel.
»Ja«, sagte der Oheim und lächelte auf eine Weise, die Muhammad an seine Mutter erinnerte, »die Sklaven Abderrachmans, seine Diener und Eunuchen, bewohnen Paläste, die der Kalif ihnen geschenkt hat, und halten sich ihrerseits Sklaven, die ebenfalls schöne Wohnungen besitzen, aber für einen freien Araber meines Schlages fällt nur ein bescheidenes Amt und ein karges Einkommen ab. Und dennoch möchte ich mit keinem jener Barbarensöhne tauschen. Ihre Herrlichkeit ist die eines Wandelsterns, der eine kurze Zeit die übrigen Sterne überstrahlt, um dann zu verlöschen. Sie haben nicht Namen noch Geschlecht, keine Ahnen und keine Erben. Wir aber ...« Er unterbrach sich. »Verzeih, ich habe dich noch gar nicht nach Gebühr begrüßt. Sei willkommen in meinem Hause, Sohn meiner Schwester, Muhammad ben Abdallah ben Muhammad ben Amir ben Abi Amir ben al Walid ben Jazid ben Abdelmalik aus dem Geschlechte der Ma-afir. Willkommen und freundlich aufgenommen. Mit welcher Kunya darf ich dich anreden?«
»Ich habe noch keine.«
»Keine? Dann werde ich dich Ibn Abi Amir nennen - denn der Großvater deines Großvaters, Abu Amir, war der Tapferste in deiner Ahnenreihe. Er war es, der unter dem Prinzen Walid als einer der Ersten die Mauern Toledos erstieg und den Anführer der Aufständischen niederhieb - ihm vor allen ändern war der Sieg über diese Stadt zu verdanken, die dem Emir von Cordoba acht Jahre lang getrotzt hatte.
Ja, damals war es noch unser Adel, der den Thron beschützte und ihn verteidigte gegen die aufsässigen Bewohner dieses Landes, die sich zu unserm Glauben nur aus Berechnung bekennen und ihn abschwören, sobald das ihnen günstiger zu sein scheint.«
Von all dem schwindelte dem jungen Mann der Kopf. Es schien ihm unglaubhaft, dass die Araber, die nun seit einem Vierteljahrtausend hier herrschten, die alle Versuche von Aufruhr und Empörung hatten unterdrücken können, in den Schatten gestellt werden sollten - von wem? Von kriegsgefangenen Sklaven, wie sie die Franken den Moslems verkauften? »Und von ihnen nicht allein«, entgegnete Abu Derradsch auf seinen Einwand. »Ist nicht selbst der Lehrer, den Abderrachman seinem ältesten Sohn gegeben hat, ein Berber und dessen Sohn Moßchafi der Geheimschreiber des Thronfolgers? Und Chasbaj, der Hofarzt, wird er nicht zu den schwierigsten Verhandlungen mit den Ungläubigen ausgesandt, obwohl er ein Jude ist?«
»Und das lässt sich nicht ändern?«
»Versuch es, Ibn Abi Amir!«
Strenggläubig waren die Studenten der Medrese von Cordoba, ließen es nicht zu, dass auch nur ein Wort des heiligen Koran falsch ausgelegt wurde, und mehr als einmal war es schon geschehen, dass sie nach einem Lehrer, mit dessen Vortrag sie nicht zufrieden waren, mit Tintenfässern geworfen hatten. Das hinderte sie jedoch nicht daran, es mit den Geboten des Propheten nicht allzu genau zu nehmen. Denn, so ging die Bede bei ihnen, ist Allah (Er ist erhaben!) nicht der Langmütige, der Verzeihende? Und an wem könnte er seine Langmut erproben, wem seine Barmherzigkeit erweisen, wem verzeihen, wenn wir ihm nicht durch unsere Sünden die Gelegenheit dazu gäben?
So saßen auch, an einem schönen Sommernachmittag, fünf junge Männer im Garten Jussufs, des Christen, beim Wein. Sie stammten aus allen Teilen des Landes: aus Toledo, aus Malaga, aus Sevilla, aus Barcelona und aus Thorosch im Bezirk Algeciras, denn auch Ibn Abi Amir war unter ihnen, der nun schon das vierte Jahr in Cordoba zubrachte.
Der Garten lag auf einer Terrasse, die sich über den höchsten Häusern der Stadt erhob. Man hatte von hier die beste Aussicht über das Häusermeer und den Großen Fluss auf die bewässerten Fluren der weiten Ebene, bis sich der Blick, dem sich kein Hindernis bot, in der dämmrigen Ferne verlor. Aber nicht dieser Aussicht wegen hatten die Burschen den beschwerlichen Aufstieg über steile Wege und holprige Treppen gemacht - der Christ war bekannt dafür, dass er den besten Wein ausschenkte, der in Cordoba zu haben war, und der perlte nun goldgelb in ihren Humpen.
Der Wein hatte auch schon ihre Zungen gelöst. Und das Ereignis, das in aller Leute Munde war, wurde eifrig besprochen: Der Kalif hatte einen Sohn bekommen!
Unter seinem Vorgänger hätte eine solche Nachricht die Gemüter kaum erregt. Abderrachman hinterließ bei seinem Tode so viele Söhne und Töchter, dass man sich schwer alle Namen merken konnte. Aber Hakam,
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