Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
sein Ältester, der vor einem Jahr den Thron bestiegen hatte, war trotz seiner fünfundvierzig Jahre und trotz der über tausend Frauen, die seinen Harem bevölkerten, kinderlos gewesen bis zum heutigen Tag. Kam das daher, dass er sich seinen Studien mehr widmete als seinen Frauen? Dass er die Nächte über den Büchern verbrachte? Dass er seine Boten ausschickte in aller Herren Länder, nicht, um schöne Sklavinnen ausfindig zu machen, sondern um alle Schriften aufzukaufen, die das Wissen vermehren konnten? Lasten über Lasten hatte man schon für ihn herbeigeschafft, und man sagte, dass er kein einziges Buch unangesehen, ja ungelesen in dem Haus der Weisheit abstellte, sondern sie alle mit seinen Randbemerkungen versah und Dutzende von Abschreibern für sich arbeiten ließ. Man sagte, dass ihm diejenige seiner Frauen die liebste gewesen sei, die die schönste Handschrift hatte - Lobna, die Milchige -, von der er sich auch seine geheimsten Schriftstücke anfertigen ließ. Aber konnte man von Frauen, die so mit Gelehrsamkeit prunkten, Söhne erwarten?
Und nun hatte Subeiha alle in den Schatten gestellt - Subeiha, die Baskin, die ihm sein Feldherr vom letzten Zug an die nördliche Grenze mitgebracht hatte.
Keiner hatte sie gesehen, aber jeder wollte etwas von ihr wissen. Man sagte, ihr Haar sei rot wie die Strahlen der Morgensonne, weshalb ihr der Kalif jenen Namen gegeben habe: Morgenröte. Welchen Namen sie aus dem Barbarenland mitgebracht hatte, wusste keiner, denn diesen auszusprechen, sträubt sich ja jede an Wohllaut gewohnte Zunge. Man sagte, dass sie den Kalifen mit ihrem Haar so bezaubert habe, dass er sich wochenlang mit ihr zurückgezogen und in der ganzen Zeit kein Buch auch nur angesehen habe. Mein munkelte, dass eine der Frauen, die sich vernachlässigt fühlten, das Gerücht aufgebracht habe, es könnte nicht mit rechten Dingen zugehn, dass Subeiha ein Kind erwarte, sie müsste eine Zauberin sein und das Kind von einem Dschinn empfangen haben. Man flüsterte, dass Hakam, als er davon erfuhr, die Frau, die vordem seine Favoritin gewesen sei, habe auspeitschen lassen und fünf andere dazu, die das böse Gerede weiterverbreitet hatten. Und er habe seine Eunuchen angehalten, strengstens darauf zu achten, dass keine der Frauen etwas Ungutes über die junge Baskin sage — worauf sie sich verschworen hätten, ihren Namen überhaupt nicht mehr zu nennen.
Dieses alles aber raunte man sich nur hinter der hohlen Hand zu. Laut sagte man, saß Allah sichtlich ein Wunder habe geschehen lassen, womit er die Tugend des Kalifen, der noch lange in Frieden regieren und sich seiner Gattinnen erfreuen möge, belohnen wollte.
Als Subeihas Sohn geboren war, kannte Hakams Glück keine Grenzen. Er ließ die baskische Sklavin frei und erhob sie zu seiner Gemahlin. Kaum konnte er das Fest der Beschneidung seines Kindes erwarten und feierte es am frühesten dafür zulässigen Termin: sieben Tage nach des Prinzen Geburt.
Heute nun war der Festumzug gewesen. Muhammad hatte sich mit den anderen Studenten unter die Menschenmasse gemischt, die die Straßen säumte. Das winzige Neugeborene, in reichgestickte seidene Tücher gehüllt, wurde von dem Obereunuchen Fajik, der auf einer prunkvoll aufgezäumten Schimmelstute saß, im Arm gehalten. Voran schritten Herolde in bunten Turbanen, schlugen Trommeln und Tamburine und riefen laut: »Allah beschütze Abderrachman, den Sohn des Beherrschers der Gläubigen, den Enkel des großen Abderrachmans, der die Ungläubigen bezwang!« Hinter den Eunuchen ritten die Prinzen des Herrscherhauses, die Brüder, Vettern und Neffen des Kalifen, nach ihnen die übrigen Würdenträger des Hofes: Wesire, Kämmerer, Staatssekretäre, Schatzmeister, hohe Offiziere, alle umgeben von der Leibwache des Kalifen. Dann folgte eine Schar junger Knaben, die gleichzeitig mit dem Prinzen beschnitten werden sollten, manche saßen schon fest im Sattel, und man sah ihnen an, dass sie sich der Wichtigkeit des Tages bewusst waren, andere waren noch so jung, dass sie von Dienern auf ihren Tieren festgehalten werden mussten. Den Zug beschlossen die Pagen - ausgesucht schöne, hochgewachsene Jünglinge, die in weit vorgestreckten Händen kupferne Becken hielten, in denen Kohle und Harz glimmten. Feierlich schritten sie hinter den Reitern her.
Von es-Sachra, der Gartenstadt mit dem schönsten der Kalifenschlösser, in dem der Prinz zur Welt gekommen war, hatte sich der Zug die Straße entlang bewegt, die am rechten Ufer
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