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Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)

Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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Geld verwendete. Für sich benötigte er kaum etwas. Zu essen bekam er einmal hier und einmal dort, und wenn er manchmal eine Mahlzeit übergehen musste, tat das weder seinem Wohlbefinden noch seiner guten Laune Abbruch. In der Moschee hielt er sich tagsüber nicht auf. Doch das Morgengebet versäumte er nie, denn das Gebet ist besser als der Schlaf.
    So war er auch nicht zugegen, als Boreihas Bruder den Neffen aufsuchte. »Von fremden Leuten muss ich erfahren«, sagte Abu Derradsch, »dass der Sohn meiner Schwester sich schon seit Wochen in unserer Stadt aufhält.« Er brachte seinen Vorwurf mit freundlicher Stimme vor, doch wurde sie schärfer, als er fortfuhr: »Ist dir mein Haus zu schlecht, dass du vorziehst, von Almosen zu leben, statt dich an die zu wenden, die dir nahestehen?«
    Muhammad wurde rot bis unter die Haarwurzeln.
    »Ich wollte nicht in jemandes andern Schuld stehn, lieber Ohm, als in der des Allmächtigen«, sagte er leise.
    »Ich weiß, du bist enttäuscht worden. Man sagte mir, Abu Haukal ...«
    »Sprich mir nicht von diesem Bruder meines Vaters! Ich hätte mir viel Arges erspart, wenn ich zur rechten Zeit an Mutanabbis Ausspruch gedacht hätte: Sich auf Sterbliche verlassen ist so viel, wie sich auf Spinnweb stützen.«
    Diese bittere Weisheit aus einem so jungen Munde verschlug Abu Derradsch die Sprache. Er musterte die Gesichtszüge des Neffen und suchte in ihnen die der Schwester, aber es lagen zu viele Jahre der Trennung zwischen ihm und ihr, als dass er eine Ähnlichkeit hätte feststellen können.
    »Und du weißt nicht«, sagte er endlich, »dass du schon längst in meiner Schuld stehst, eben weil du nicht eher zu mir gekommen bist?«
    »Es tut mir leid, dass ich dich gekränkt habe«, sagte Muhammad. »Dein Haus ist mir nicht zu schlecht. Und die Schuld, in die ich mich begebe, werde ich wohl eines Tages abstatten können.«
    »Davon darfst du nicht sprechen. Auch mir starb der Vater, als ich in deinem Alter war. Ich weiß, wie einem da zumute ist.«
     
    Sie traten aus dem Gotteshaus in das Gewirr der engen Gassen, die bald nach rechts und bald nach links winkelten. Es gab fast mehr Eckhäuser als solche, die in einer Reihe standen, und Muhammad wusste bald nicht mehr, in welche Richtung sie gegangen waren. Zudem stieg ihr Weg merklich an, sodass der etwas kurzatmige Abu Derradsch von Zeit zu Zeit stehenblieb, um Luft zu holen. Endlich sagte er: »Nun ist’s nicht mehr weit. Noch um zwei Ecken herum, und wir sind zu Hause.«
    Plötzlich erhob sich unbeschreiblicher Lärm. Erst von streitenden Stimmen, dann hörte man Schmerzensschreie, dazu das Gewieher und das Getrappel sich nahender Pferde.
    Abu Derradsch fuhr zusammen. »Fort!« rief er, und er drückte auf die Klinke des erstbesten Haustores. Zum Glück war es unverschlossen. »Schnell hinein, komm!« Und er drängte den Neffen in den Toreingang. Kaum waren sie hinter dem schmiedeeisernen Gitter in Sicherheit, als der Reiterzug vorbeitrabte. Die Gasse war so schmal, dass kein Pferd neben dem andern Platz hatte, und ein Mensch konnte an ihnen nur vorbeikommen, wenn er sich eng an die Hausmauer schmiegte.
    Zwanzig Reiter zählte Muhammad, einer immer größer und stattlicher als der andere. Als der letzte vorbei war, wollte er das Tor öffnen, um weiterzugehen, aber Abu Derradsch hinderte ihn daran. Erst als das Getrappel sich in der Ferne verloren hatte, trat er mit Muhammad wieder ins Freie.
    Nun erfuhren sie auch den Grund des Tumultes. Ein spielendes Kind war über den Haufen geritten worden, und der Vater, der dem ersten Reiter in die Zügel gefallen war, hatte mit der Reitpeitsche einen Hieb übers Gesicht bekommen, dass er, nach hinten taumelnd, die Zügel fahren ließ. Jetzt lehnte er, seiner selbst nicht mächtig, an der Mauer, und Blut floss ihm aus einem Auge. Das Kind aber lag wimmernd in den Armen eines Alten.
    Muhammad wollte dem Mann, der offenbar ein Auge verloren hatte, zu Hilfe eilen. »Misch dich nicht ein!« rief Abu Derradsch erschrocken und zog den Neffen fort. »Es könnte dich teuer zu stehen kommen.«
    »Wieso?« fragte Muhammad erstaunt.
    »Nun, wenn der Mann es sich einfallen ließe, Buße zu verlangen, und dich als Zeugen angäbe.«
    »Aber das steht ihm doch zu.«
    »O du Kind! Das war die Leibwache des Kalifen.«

    Das Haus Abu Derradschs war nicht groß. Ein schmaler Eingang führte in einen engen Hof, der, von den zwei Stockwerken eingeschlossen, fast keinen Sonnenstrahl zu sehen bekam. Und auch die

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