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Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)

Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Hering
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Sah er den braunen Fluten nach, die sich schäumend zwischen den Brückenpfeilern hindurchzwängten? »Worauf wartest du?« fragte Welid erstaunt. »Es ist schon spät. Und bis wir uns zu unseren. Quartier durchfragen ...«
    »Wir müssen uns nicht durchfragen. Die große Moschee ist keine fünfhundert Schritte entfernt. Siehst du nicht, wie die goldene Lilie auf dem grünen Dach des Minaretts in der Abendsonne funkelt?«
    »Sie wird nicht mehr lange funkeln. Die Sonne hat den Horizont fast erreicht. Und in die Moschee kommen wir morgen noch früh genug - heute müssen wir uns nach einem Nachtlager umsehen. Sagtest du nicht, deine Mutter habe dir den Weg zur Wohnung ihres Bruders nur ungenau beschrieben, und von der großen Moschee sei es noch weit bis dorthin?«
    »Welid«, antwortete Muhammad, »ich habe es mir überlegt. Ich suche meinen Oheim nicht auf.«
    Betroffen fragte Welid: »Und wo werden wir dann heute Nacht schlafen? Wir haben nicht mehr als zwölf Dirhems in der Tasche.« »Der Gläubige macht sich keine Sorgen um Unterkunft im Anblick einer Moschee.«
     
    Die riesige Mauer, die das Gotteshaus umgab, zeigte den sich Nahenden ihr strenges, fast abweisendes Gesicht. Aber ihre Tore standen weit offen, und ein Strom von Menschen ergoss sich von allen Seiten in den mit vielen Reihen von Orangenbäumen bestandenen Hof. Muhammad und Welid wurden mitgerissen. Sie drängten sich mit den übrigen um den Brunnen, es hieß, sich mit der Waschung zu sputen. Der Muezzin hatte schon zum zweiten Mal sein »Aschhadu anna Muhammadan rasulu’llah« gesungen (ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Gottes ist), und das Abendgebet musste gleich beginnen.
    Wie wohl ihnen das Wasser tat! Sie spürten in allen Poren die Kühle und konnten nicht verstehen, dass so viele Leute die Hände nur flüchtig nassmachten und das Gesicht kaum benetzten oder es gar unterließen, sich die Haare zu befeuchten.
    Noch kühler wurde es dann im Schatten des Kuppeldaches, das von einem Wald von Säulen getragen wurde. Sie streiften die Sandalen ab und betraten barfuß die weichen, wollenen Teppiche, mit denen die Steine des Fußbodens belegt waren.
    Müde lehnte sich Welid an eine der hintersten Säulen. Er kam sich zwischen all den fremden, unbekannten Gesichtern verloren vor.
    Da erklang die Stimme des Imams. Wie durch einen Zauber wurde aus dem Menschenhaufen eine Gemeinde: Alle Stimmen vereinigten sich zu einer einzigen, alle Bewegungen wurden ausgeführt wie von einem einzigen Körper. Dieses Stehen und Händeerheben, dieses Vornüberneigen und Sichniederwerfen, bis die Stirn vor Allah, dem Allerhöchsten, den Boden berührte.
    Das alles war Welid gewohnt von Kindheit an. Aber hier, inmitten der Tausende, eingebettet in die gewaltige Ordnung, die Allah selbst den Menschen gesetzt hat, spürte er wie noch nie die Kraft, die auch den kleinsten Stein einfügt in den Verbund eines mächtigen Baues, sodass er von allen ändern getragen wird und gleichzeitig alle ändern mitträgt. Im Rauschen dieses Einklangs hörte er kaum die eigene Stimme, die doch alle die vorgeschriebenen Gebete mitsprach, und als das letzte »Friede sei mit euch und Allahs Gnade« verklungen war, stand er noch eine Weile in sich versunken da, bis Muhammad ihn an der Hand fasste, »komm« sagte und ihn mit sich fort zog. Da erst merkte er, dass der Gottesdienst zu Ende war und sich die Menschen zerstreuten.
    Als sich das Gedränge etwas verloren hatte, gelang es den beiden Burschen endlich, sich in dem weitläufigen Gebäude umzusehn. Welid wäre am liebsten bei jedem Schritt stehen geblieben, denn überall ergab sich zwischen den von doppelten Hufeisenbögen überspannten Säulen ein anderer Durchblick, und er konnte sich nicht satt daran sehen. Die Verse der Dichter kamen ihm in den Sinn, die diese Moschee besungen hatten als einen marmornen Palmenhain, weil sich die Säulen in den Wölbungen ihrer Bogen einander zuneigten wie die Wedel der Dattelpalmen, oder als einen Lichterhimmel, weil Tausende von Lampen sie erleuchteten wie die Sterne das Weltall.
    Doch Muhammad ließ ihm nicht Zeit zu langen Betrachtungen. Selbst von der siebeneckigen, mit einem Mosaik geschmückten Nische des Mihrabs zog er ihn weiter, ehe noch Welid die Muster verfolgen konnte, die sich in leuchtenden Farben von dem vergoldeten Grund abhoben, sich verschlangen und verschränkten, sich verbanden und trennten und immer neue Formen entstehen ließen, die sich nie wiederholten. Gern hätte Welid

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