Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
dürftigsten Verhältnissen zu einem der reichsten Händler emporgeschwungen, besaß einen Palast in Rußafa, rüstete eigene Schiffe aus, die von Sevilla in das Westmeer segelten oder von Algeciras und Malaga den Osten besuchten. Nichts gab es, was er nicht beschaffen, womit er nicht handeln konnte: Die Seidenverkäufer der Stadt belieferte er mit den kostbarsten Brokaten aus Damaskus, den Bauleuten holte er aus Buchara das Kupfer, das sie für die Dächer der Paläste benötigten, den Goldschmieden lieferte er ägyptische Smaragde und jemenitische Rubine. Das Geschäft aber, das er mit dem größten Eifer betrieb, war sein Handel mit schönen Sklavinnen.
Er war kein Sklavenhändler schlechthin, holte nicht Arbeiter oder Arbeiterinnen für Haus- und Feldwirtschaft, sondern gab sich einzig und allein damit ab, junge Mädchen, die genügend hübsch und aufgeweckt waren, womöglich noch als Kinder aufzukaufen, denen er eine entsprechende Erziehung zuteilwerden ließ, um mit ihnen einen großen Gewinn zu erzielen.
An dieser ließ er es nicht fehlen. Die Mädchen lernten nicht nur schreiben und lesen, wurden nicht nur im Koran unterrichtet, sondern auch mit den Schriften der Dichter und der Gelehrten vertraut gemacht. Dazu mussten sie singen und tanzen und allerlei Instrumente spielen lernen. Hatten sie schöne Stimmen, lehrte man sie die Laute schlagen, brachten sie es im Singen nicht weit, wurden sie zu Flötenbläserinnen ausgebildet. Und diesen Unterricht überwachte Achmed ben Sukkarah selber und sparte nicht an Silberstücken für die Lehrer seiner »Töchter«.
Er war überhaupt als freigebig bekannt, und diese Freigebigkeit brachte ihm am meisten ein. Hatte er eine besonders schöne Sklavin, so machte er sie dem Kalifen oder einem der Wesire zum Geschenk. Lernte er einen armen, aber vielversprechenden jungen Mann kennen, so wusste er sich ihn zu Dank zu verpflichten, indem er seine Verse lobte (das kann man tun, ob man welche von ihm kennt oder nicht-welcher vielversprechende junge Mann macht keine Verse?), und ihn bat, sie vorzutragen, worauf er ihn mit einem Geldgeschenk belohnte. Welcher Kalif aber, welcher Wesir weiß eine ausgewählte Schönheit nicht zu schätzen und den, der sie ihm zubrachte-und welcher Mann erinnert sich, wenn er zu Amt und Würden kommt, nicht seines Wohltäters aus mageren Jahren?
Ja, selbst die Almosen, die Achmed ben Sukkarah reichlich spendete, machten sich ihm bezahlt: Keine seiner Karawanen war jemals von Beduinen geplündert worden, keines seiner Schiffe den Seeräubern in die Hände gefallen oder untergegangen.
An diesen Mann nun war Welid geraten.
Er hatte das einem Zufall zu verdanken. Abends, wenn er den Laden des Seidenhändlers, dem er diente, aufgeräumt hatte, pflegte er in seiner Kammer die Laute in die Hand zu nehmen und spielte und sang zu seiner eigenen Lust und Freude. Und eines Abends sang er ein Lied, das er kürzlich aufgefangen hatte:
»Die Sterne blühn wie Lilien
in einer Veilchenau,
der Mond hat sich verschleiert
wie eine schöne Frau.«
Hier stockte er, denn die nächste Strophe fiel ihm nicht mehr ein, und auch mit der Begleitung war er nicht ganz zufrieden, fingerte auf der Laute, um die richtigen Töne zu treffen, und begann von Neuem.
So vertieft war er, dass er das Pochen an seiner Tür gar nicht hörte und zusammenfuhr, als das rotbackige, etwas aufgedunsene Gesicht Achmed ben Sukkarahs vor ihm auftauchte. Erschrocken ließ er die Laute sinken und starrte den Eingetretenen an.
»Sing nur weiter, Freund«, sagte der Alte, ohne erst Höflichkeit an eine Grußformel zu verschwenden, »sing, wie die Schöne auf ihren Spiegel haucht, um ihn blank zu reiben, und wie sie vor der Vollkommenheit ihres Antlitzes erschrickt und seufzt, dass sie noch ledig ist - das ist gerade so ein Lied, wie ich es brauche.«
Welid kannte Achmed ben Sukkarah wohl, denn sein Herr war mit ihm befreundet. Er bezog seine kostbarsten Brokate und Damaste von ihm, und die beiden alten Männer saßen oft nächtelang beisammen und tauschten Erinnerungen aus. Sie gedachten der schönen Zeit, als sie sich oft hungrig hatten schlafen legen müssen und am Abend nicht wussten, was der nächste Tag bringen würde, aber jung gewesen waren, jung, und voll unverwüstlicher Lebenslust. Nun hatte das Leben sie satt gemacht, doch wenn sie sich gegenübersaßen, schwelgten sie nicht in ihren Erfolgen, sondern in ihren Nöten, Schwierigkeiten und Gefahren. »Ich wusste gar nicht, dass du
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