Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
Laute spielen kannst, Welid«, sagte Achmed ben Sukkarah. »Dich könnte ich gerade brauchen. Abu Talib, mein Musiklehrer, ist alt, hat seine Stimme schon fast ganz verloren. Die Mädchen haben niemanden, der ihnen so schöne Lieder beibringt, wie du eben eines gesungen hast.«
»Du bist doch nicht etwa gekommen, um mir meinen Gehilfen auszuspannen«, sagte Ali, der hinter seinem Freund hergegangen war und nun in der Tür stand.
Es gab ein Hin und Her zwischen den beiden Alten, und dem jungen Mann war bei diesem Gespräch sehr unwohl zumute - er kam sich vor wie eine Ware, um die man feilscht. Er hätte am liebsten beiden den Rücken zugedreht und wäre in die Nacht hinausgegangen. Aber schließlich ließ er sich von Achmed ben Sukkarah überreden und nahm dessen Angebot an.
Die Mädchen, die im Garten unter einem großen Nussbaum saßen, waren in Aufregung geraten wie Bienen vor dem Ausschwärmen, als ihr Patron ihnen Welid als neuen Lehrer vorstellte.
»Du musst ihnen etwas Vorsingen«, sagte Achmed ben Sukkarah und ließ ihn mit der Schar allein. Aber es gelang Welid schlecht. Verlegenheit machte seine Stimme spröde, und die Mädchen kicherten und flüsterten miteinander.
Bis eines von ihnen vom Sitz aufsprang. »Schämt ihr euch nicht, diesen guten Jungen so zu quälen?«
»Ach, Merwe, warum, bist du so griesgrämig? Wer keinen Spaß versteht, soll sich nicht mit Mädchen abgeben. Wir sind zum Spaß und zur Freude geschaffen.«
»Sie wird euch schon noch vergehn!«
Erstaunt sah Welid die Sprecherin an. Sie war schlank und zierlich, aber nicht schön. Die Augen tränten ihr, der Mund war zu groß, die Nase rot, die Haut fast grau. Und die Haare hingen ihr wirr und ungepflegt unterm Kopftuch hervor - sehr zu ihrem Nachteil stach sie damit ab von all den ändern, die sorgfältig gekämmt und schön herausgeputzt es darauf angelegt hatten, bewundernde Blicke auf sich zu ziehen.
»Was machst du überhaupt hier, Merwe? Du glaubst doch nicht, dass es unserm neuen Lehrer gelingen wird, dir ein Lied beizubringen? Und wenn er selbst auch zehnmal so schön singen würde wie Abu Talib, dir würde er das Krächzen doch nicht abgewöhnen.«
Es schien dem jungen Mann, als ob das Mädchen bei diesen Worten in sich zusammensänke und noch kleiner und unscheinbarer würde, als es sowieso war. Und da rief auch schon eine scharfe Stimme: »Merwe! Wo bleibst du so lange?«
»Lauf nur zu deinen Suppentöpfen«, sagte Munhila, und, zu Welid gewandt: »Sie denkt, sie sei etwas Besseres als wir, weil sie die Tochter eines Statthalters ist. Aber hier fragt man nicht nach Stamm und Rang. Wenn eine von uns zu ungeschickt ist, um singen, tanzen und Laute spielen zu lernen, muss sie eben Küchenarbeit machen.« Eitel zupfte sie an den schwarzen Löckchen, die ihr in die Stirne fielen.
»Die Tochter eines Statthalters?« Es war die erste Frage, mit der Welid selber zu Worte kam. »Wie ist denn das möglich?«
»Alles ist möglich, wenn Allah es will. Ihr Vater fiel in Ungnade beim Kalifen von Bagdad und wurde enthauptet, ihre Mutter war schon bei ihrer Geburt gestorben. Ihre Amme verkaufte sie.«
Da griff Welid in die Saiten seiner Laute und sang dazu:
»Zeder unterm Himmelszelt,
weißt du, wann der Blitz dich fällt,
und dir Kron und Stamm zerspellt?«
»So etwas willst du uns lehren?« Munhila trat vor, drehte sich tänzelnd um ihre Achse und sah dem Sänger so dreist in die Augen, dass er die Laute sinken ließ. »Was meinst du, was für einen Lohn wir uns erwürben, wenn wir einem großen Herrn mit diesem Gesang aufwarteten? Wir brauchen andere Lieder!
Rose unterm Himmelszelt,
freue dich der schönen Welt
und des Tau’s, der auf dich fällt.
Komm, lehr mich die Griffe, es zu begleiten.«
»Wie sie sich wieder aufspielt«, flüsterte eines der Mädchen, aber doch nicht so leise, dass Welid es nicht hätte hören können. »Ich möchte ihr am liebsten die Augen auskratzen.«
»Zahlt sich nicht aus«, gab ihre Nachbarin zurück, »sie bleibt sowieso nicht mehr lange bei uns. Der Kadi von Medinaceli hat schon tausend Denare für sie geboten.«
»Aber unser Patron hat sie ihm nicht gegeben. Er wartet, bis man ihm zweitausend bietet.«
»Und wer wird em solcher Narr sein?«
»Nun, einer, der noch reicher und noch älter ist als der Kadi von Medinaceli.«
Munhila lächelte zu diesen Worten wie zu einer Schmeichelei. »Sie sind neidisch«, sagte sie, »weil ich nicht nur singen, sondern auch dichten kann, und das
Weitere Kostenlose Bücher