Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
sinken und seufzte tief und vernehmlich. Da brach der Tarab, der Begeisterungstaumel, los wie ein Sturm. Nicht nur die jungen Burschen, auch die gesetzten Männer wurden von ihm erfasst. Einer riss sich den edelsteingeschmückten Turban vom Kopf und warf ihn der Sängerin zu, dessen nicht achtend, dass sein kahler Schädel nun vor aller Augen entblößt wurde und ihm ein Spötter zurief: »Glaubst du, so gefällst du der Schönen, du Vater des Vollmonds?« Ein anderer, jüngerer, drehte sich wie ein Wirbelwind im Kreise, bis er zur Erde fiel und ihm Schaum aus dem Mund floss, ein dritter schrie in einem fort: »Goldbrokat und Seide! Seide und Goldbrokat!« Und fuchtelte wild mit den Armen.
Während die Sängerinnen im Chor sangen, stand Welid bei ihnen und half ihnen mit heimlichen Zeichen, im gleichen Rhythmus zu bleiben. Aber als dann eine nach der ändern einzeln vortrat, ging er in den Garten und suchte nach dem Freund.
Ibn Abi Amir saß allein an einem der Tische, denn seine Nachbarn hatten sich längst vom Tarab fortreißen lassen und sich um die Sängerinnen geschart. Welid legte seine Laute auf die leere Bank und setzte sich neben ihn.
»Ich beglückwünsche dich«, sagte Ibn Abi Amir. »Deine Mädchen haben großen Erfolg.« Aber seine Stimme klang so gleichgültig, dass Welid fragte: »Dir gefällt wohl nicht, wie sie singen?«
»Warum nicht? Aber ich gehöre nicht zu denen, die vor Begeisterung den Verstand verlieren.«
Während die ändern Mädchen sangen, bediente Merwe die Gäste. Sie ging mit einer Schale voller Früchte von einem Tisch zum ändern. Hinter den beiden jungen Männern blieb sie stehen, setzte aber ihre Schale nicht vor ihnen auf den Tisch, sondern seitab ins Gras, verhielt sich still und hörte ihrem Gespräch zu. Die Freunde unterhielten sich von diesem und jenem, ohne die Lauschende zu bemerken. Plötzlich aber traf ein Laut ihr Ohr, sodass unwillkürlich beide zu gleicher Zeit ihre Köpfe umwandten. Da stand das Mädchen mit dem Rücken an einen Pfirsichbaum gelehnt, hielt Welids Laute in der linken Hand und strich mit der rechten über die Saiten, dass sie erklangen.
»Merwe - du?« entfuhr es Welid, und wie als Antwort auf diese Frage begann sie zu singen:
»Niemals kann eine Mauer,
sie sei fest und hoch wie ein Turm,
eine Rose beschützen
vor dem eisigen Wintersturm.
Und wenn die Muschel, vom Sturm
an die Klippe geworfen, zerklirrt -
wer schützt die Perle davor,
dass sie zertreten wird?«
Im allgemeinen Tumult ging dieses Lied unter. Niemand hatte es gehört außer den beiden Freunden, aber Welid sprang auf Merwe zu, fasste nach seiner Laute und hielt gleichzeitig ihre Hand fest.
»Du«, sagte er und konnte kaum ein Wort finden, sein Erstaunen auszudrücken, »du hast ja eine viel schönere Stimme als Munhila.« »Verrate es niemandem, ich bitte dich«, antwortete sie und sah ihn dabei so verzweifelt an, dass es ihm ins Herz schnitt. Unwillkürlich ließ er ihre Hand los, und leichtfüßig sprang sie davon.
Welid wollte ihr nachlaufen, aber Ibn Abi Amir hinderte ihn daran. »Lass sie«, sagte er, »ihr Lied hat nicht dir gegolten.«
Unterdessen hatten sich um Achmed ben Sukkarah die Käufer geschart. Moßchafi kaufte Munhila um zweitausend Denare, und auch einige andere Mädchen erhielten fast ebenso hohe Preise.
Nur der Kadi Ibn as-Salim hielt sich zurück. Er hatte sich auch an dem Begeisterungstaumel nicht beteiligt, sondern als stummer Beobachter seine Aufmerksamkeit mehr den jungen Leuten als den Sängerinnen geschenkt. Und als sich die Männer um den Händler drängten, ging er aus ihrer Reihe und trat an den Tisch, an dem allein noch die beiden Freunde saßen, die bei seinem Herannahen aufstanden und sich vor dem einflussreichen Mann ehrfürchtig verbeugten.
»Ich möchte mit dir sprechen, Ibn Abi Amir«, sagte der Kadi. Und Welid verstand und entfernte sich.
»Du gefällst mir. Du bist, wenn wir vom Musiklehrer absehen wollen, der einzige der jungen Männer, der nicht dem Tarab verfiel. Einen solchen Mann könnte ich in meiner Kanzlei brauchen, wenn er über das notwendige Wissen verfügte.«
»Ich habe vier Jahre Fikh studiert«, erwiderte Ibn Abi Amir, »und außer der Rechtswissenschaft hörte ich die Grammatik bei Abu Bekr ibn al Kutijet, die Logik bei Abu Muhammad Ali, die Rechenkunde bei ...«
»Ehrenwerte Lehrer. Und ein Schüler, der weiß, dass ein Mann des Gesetzes und der Wissenschaft sich nicht von Leidenschaften hinreißen lassen darf.
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