Zu seinen Füßen Cordoba: Historischer Roman (German Edition)
von dem lagen, worauf das Streben eines Herrschers gerichtet sein musste.
Wie lästig sind die Regierungsgeschäfte! Staatseinkünfte, Staatsausgaben, Kriegführung an fernen Grenzen, Streitigkeiten innerhalb und außerhalb des Palastes, Zeremoniell, ermüdende Empfänge. Und dabei eingeschnürt sein in einen engen Leibrock von Vorschriften: dieses nicht tun dürfen und jenes nicht lassen, überall auf Wächter stoßen, keinen Schritt allein gehn, kein Pferd besteigen, das einem nicht gehalten, keine Speise essen, die einem nicht vorgekostet wird. Und vor allem eines nicht sein dürfen: ein Kind.
Aber Subeiha wollte ja gerade nichts anderes, als dass Hischam möglichst lange ein Kind blieb. Denn solange er das war, hatte sie Einfluss, konnte sie Macht ausüben, gab ihre Entscheidung den Ausschlag.
Sie verständigte sich unschwer darüber mit Abu Amir, ihr Vorteil war auch der Seine.
Ein Kind. Womit fesselte man ein Kind? Am leichtesten doch wohl mit Geschichten.
Alle Wunder des Himmels und der Erden sollen sich dir erschließen, Hischam. Teppiche, die dich durch die Luft, Delfine, die dich durch die Wellen in unbekannte Länder tragen, wilde Tiere, die mit dir sprechen und dir in Gefahren beistehn, Löwen, die du dir zu Freunden machst, indem du ihnen einen Dorn aus dem Fuß ziehst, und die den Drachen, die dich bedrohen, die Köpfe ausreißen, Vögel, die Perlen aus ihren Schnäbeln fallen lassen, wenn sie singen, Berge, die sich öffnen und dir unermessliche Schätze spenden - alles, alles das soll dein sein! Und Jungfrauen, nicht zu vergessen, die sich in kupferne, silberne und goldene Mäntel hüllen: Drehe nur an dem kupfernen Apfel, der silbernen Birne, der goldenen Pflaume, und sie fliegen dir zu! Auf Kamelen durchreitest du die Wüsten, Gazellen fliehen vor dir her. Mit Ghulen sprichst du in den Nächten - vielleicht verzaubern sie dich in einen blauen Vogel, doch dann fliegst du durch das Fenster des hohen Turmes, in dem die wunderschöne Prinzessin gefangen sitzt, weil ihr grausamer Vater sie keinem Manne gönnt. Und sie kennt das Wort, das dich erlöst, und ihr entkommt dem Gefängnis, versteckt euch in der Einsamkeit und lebt miteinander glücklicher als unsere Eltern im Paradies, denn ihr dürft von allen Früchten essen, die rings um euch wachsen, keine ist euch verboten.
Wozu hat dein Vater Bücher heranschleppen lassen von allen Enden der Erde? Wir werden die Geschichten finden, die deinen Kopf füllen sollen, dass du alles rundum vergisst!
Zu Lebzeiten Hakams hatte Abu Amir das große Schatzhaus der Weisheit niemals betreten. Wohl gestattete der Herrscher das seinen bevorzugten Hofbeamten, doch es dem jungen Mann anzubieten, hatte sich keine Gelegenheit gefunden. Und Abu Amir war es nicht in den Sinn gekommen, ihn darum zu bitten. Er war kein Büchermensch. Nicht, dass er nicht Freude gehabt hätte an scharf gefassten Gedanken, gut erzählten Geschichten, kunstvoll gefügten Versen. Nicht, dass ihm das Spiel mit Worten fremd gewesen, ihm keine Sätze mit kühnen Vergleichen, bilderreichen Wendungen, treffenden Ausdrücken von der eigenen Zunge gesprungen wären. Aber zu sehr war sein Geist damit beschäftigt, den Anforderungen des Tages gerecht zu werden, als dass er es sich gestattet hätte, sich in Träumen zu verlieren.
Nun aber führten ihn die Anforderungen des Tages ins Reich der Träume.
Das Schatzhaus der Weisheit hatte Hakam, nachdem er Kalif geworden war, seinem Vetter Mondhir anvertraut, der seine Vorliebe für seltene Handschriften und kunstvoll gebundene Bücher teilte. Und Mondhir beschied sich mit der Rolle, die ihm der Kalif zugedacht hatte, eifrig bemüht, ihn mit immer neu hinzuerworbenen Schätzen zu erfreuen. Auch nach Hakams Tod ließ er nicht nach im Eifer des Sammelns, und seine Abschreiber hatten genug zu tun, obwohl noch keiner der Einflussreichen sich um ihn und die Schätze, die er verwaltete, gekümmert hatte.
Ihm war das recht. Er hütete sich, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Das Schicksal Moghiras lag wie ein drohender Schatten über dem Haus der Omaijaden.
Als der Türhüter ihm Abu Amirs Besuch ankündigte, stand Mondhir auf und ging dem Gast entgegen.
Fast erschrocken war Abu Amir, als er die behäbige Gestalt schwerfällig auf sich zukommen sah. Welche Veränderung war vor sich gegangen mit diesem Neffen Abderrachmans, seit er ihn im Hafen von Algeciras zum ersten Mal gesehen hatte! Wo war der Reiter im weißen Gewand geblieben, der ihm vorgekommen
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