Zu Staub Und Asche
Erfahrungen, aber in Wirklichkeit war sie eine Unschuld vom Lande. Sie führte ein ziemlich langweiliges Leben, aber ich fürchte, es gefiel ihr so. Die Vorwürfe gegen mich stellten sich übrigens als trauriges Missverständnis heraus.«
Irgendwo im Hintergrund störte ein Mitarbeiter der Cafeteria die herrschende Ruhe dadurch, dass er mit einem Besteckbehälter herumrumorte. Hannah beugte sich zu Clare hinüber.
»Ist der Fall vor Gericht gegangen?«
»Leider ja. Aber Stuart Wagg schaffte es, so viele Unstimmigkeiten in den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft zu entdecken, dass der Fall schließlich niedergeschlagen wurde. Die Jury musste nicht entscheiden, und ich kam mit weißer Weste davon.«
»Aha!«
Verweigerte Rechtsprechung, wie so verdammt oft!
»Ich war natürlich unschuldig, aber diese Erfahrung hat meinen Glauben an die britische Rechtsprechung nachhaltig zerstört. Ohne Stuart Waggs Hilfe wäre ich wahrscheinlich schuldig gesprochen worden.«
»Kaum zu glauben«, stieß Hannah zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
»Ich habe also allen Grund, dem Kerl dankbar zu sein. Falls Sie davon ausgehen sollten, ich hätte ein Motiv gehabt, ihn zu ermorden, liebste Hannah, dann bellen Sie nicht nur den falschen Baum an, sondern sind sogar im falschen Wald.«
Das selbstzufriedene Grinsen war zurück. Aber selbst wenn er sich im Drogenhandel versucht hatte - es spielte keine Rolle. Wenn es darum ging, einen Grund für die drei Morde zu suchen, dann hatte sie hier eindeutig eine Niete gezogen - und das wussten sie beide. Theatralisch schaute er auf die Uhr und sprang mit einer Gewandtheit auf die Beine, die bei einem derart schweren Mann verwunderte.
»Ihre zehn Minuten sind seit geraumer Zeit vorbei, Hannah. Es tut mir leid, ich muss los. Sie finden sicher allein hinaus, nicht wahr?«
Kapitel Achtzehn
Der Nebel, der Tarn Fold einhüllte, hob sich auch während der folgenden Stunden nicht. Louise sagte, sie würde nur allzu gern einkaufen gehen, denn die Schränke des Cottage waren ziemlich leer. Daniel, dem jede Gelegenheit willkommen war, sich nicht mit Die Hölle im Innern beschäftigen zu müssen, schlug ihr vor, zum Mittagessen nach Ambleside zu fahren. Bei dieser Gelegenheit könnte er im Büro des De-Quincey-Festivals vorbeischauen. Arlo Denstone hatte seine letzten E-Mails nicht beantwortet, und auch eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter, mit der Frage, ob Daniels Rede noch überarbeitet werden müsse, war ohne Resonanz geblieben. Sobald diese Sache klar war, würden die Fortschritte am Buch sicher nicht auf sich warten lassen. Aber vielleicht handelte es sich auch nur um das Übersprungverhalten eines Schriftstellers.
Während der Fahrt schwiegen beide. Louise war in ihre eigenen Gedanken versunken, und Daniel musste sich auf die Straße konzentrieren. Die Sichtweite betrug kaum fünfzig Meter.
Ambleside schien vor sich hin zu brüten. Das alltägliche Leben befand sich in Warteposition. Die Berufspessimisten vom Wetterdienst hatten selbst die kühnsten Wanderer abgeschreckt, und Daniel stand eine beliebige Anzahl freier Parkplätze zur Verfügung. Louise verschwand zu ihrer Shoppingtour. Daniel kaufte sich eine Westmoreland Gazette - die einst von de Quincey redigierte Zeitung lief immer noch gut - und ging über den Markt zum Organisationsbüro des Festivals. Über der Tür konnte man noch den verblassten Namen des Fotostudios erkennen, das der Digitaltechnologie zum Opfer gefallen war. Rings um das Gebäude befanden sich Wohltätigkeitsläden mit kurzfristigen Mietverträgen, in deren Schaufenstern eselsohrige Mädchenbücher, verblichene Aquarelle und gebrauchte Bergsteigerausrüstungen auslagen. Selbst dem wohlhabenden Ambleside blieb die Flut der Veränderung nicht erspart, die durch Englands Geschäftsstraßen rauschte.
Das winzige Büro war vollgestopft mit Hochglanzplakaten für das Festival, Regalen voller Flyer für die Touristen und einer Sammlung der Werke der bekanntesten Lake-District-Schriftsteller. Am Schreibtisch saß eine dicke grauhaarige Frau, deren gelb-rotes Namensschild sie als Sandra, ehrenamtliche Helferin auswies. Sie las in einer Klatschzeitschrift, deren blutrünstiges Titelblatt Daniel neugierig machte. Leben! Tod! Preise! - Der Geier, der mich zu fressen versuchte - Frau schlitzt Ehemann den Sack auf (»Ich liebe ihn noch immer«) - Haustiere verkauft, um Beerdigung der Mutter zu bezahlen - Psychose: Hausarzt bangt um Job - Tinas tolle Titten. Er hüstelte.
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