Zu Staub Und Asche
sich, das Thema zu wechseln und Louise daran zu hindern, gegen Wagg zu sticheln. Sie hatte die Angewohnheit, Leute zu provozieren, doch er spürte, dass Waggs Temperament durchaus mit dem von Wanda Saffell zu vergleichen war. »DCI Scarlett.«
»Die süße Hannah?« Wagg grinste. »Ihre Schwester hat mir erzählt, dass Sie es fertiggebracht haben, in einen von Hannahs Fällen verwickelt zu werden.«
Genau genommen in mehr als einen, aber Daniel hielt den Mund. Er wünschte nur, Louise hätte nicht mit Stuart Wagg über ihn gesprochen. Noch mehr wünschte er sich allerdings, Louise hätte sich gar nicht erst in diesen Kerl verliebt. Die Art, wie der Whisky seine Zunge gelöst hatte, gefiel ihm einfach nicht.
»Sie ist beruflich auf ein Abstellgleis geschickt worden, wussten Sie das? Sie hat einen wichtigen Fall verbockt und wurde daraufhin kaltgestellt. Natürlich wurde die Sache schöngeredet - versteht sich von selbst. Eine junge Frau, die als Kriminalistin Karriere macht? Sie konnten sie schlecht ganz abservieren. Nicht angesichts all dieser politisch korrekten Zielvorgaben, die man sich setzt.«
»Sie leitet das Cold-Case-Team«, sagte Daniel. »Ein ausgesprochen anspruchsvoller Job.«
»Aber auch nicht unbedingt eine Spitzenposition. Und der Druck ist gleich null. Man muss eben nicht gegen die Uhr arbeiten, wenn das Opfer schon jahrelang im Grab modert.« Wagg seufzte theatralisch. »Aber Hannah wird das schon schaffen. Wenn sie sich nichts zuschulden kommen lässt, bis sie ihre Zeit abgesessen hat, bekommt sie eine richtig schöne fette Pension und braucht sich nicht auf das Geld zu verlassen, das Marc mit ein paar verrückten Bibliophilen wie mir macht.«
Daniel spürte, wie sich seine Wangen röteten. Er zählte bis zehn. Zwar brauchte Hannah seine Verteidigung nicht, doch er kam nicht dagegen an.
»Ich habe nicht den Eindruck, dass sie nur ihre Zeit absitzt.«
Wagg gähnte und streckte die Arme aus. »Nun, wen interessiert das schon? Ich glaube, ich sollte jetzt nach Hause gehen. Danke für den Whisky.«
Als Louise aufstand, drehte er sich zu ihr um und sagte: »Bleibst du bei mir, oder fährst du zurück zu deinem Bruder, wenn du mich zu Hause abgesetzt hast, Liebling?«
»Ich bleibe natürlich bei dir. Wieso fragst du?«
»Nur so.«
»Du hast die ganze Woche frei.«
»Schon, aber ich habe mir überlegt, ob ich in die Berge gehe.«
»Die Vorlesungen fangen erst nächste Woche wieder an. Wir könnten zusammen wandern.«
»Nicht unbedingt mein Ding. Für mich haben Bergwanderungen mit Einsamkeit zu tun.« Wagg stand auf. »Ich war der Meinung, du wolltest einige Zeit mit deinem Bruder verbringen, nachdem er nun endlich wieder in England ist.«
»Aber Daniel und ich können uns jetzt schließlich jederzeit sehen.«
Ihre Stimme klang betroffen - als hätte Wagg sie geohrfeigt. Daniel ballte unwillkürlich die Fäuste hinter seinem Rücken.
»Schon gut, schon gut. Lass uns gehen.«
Daniel brachte sie zur Tür und sah ihnen nach, wie sie wortlos in Louises Sportwagen einstiegen. Ihr Gesicht war so trostlos wie der Berg Scafell. Krachend legte sie den Gang ein, und das hässliche Geräusch störte den Frieden des waldigen Tals.
Das Auto brauste davon, Louise fuhr viel zu schnell für das schmale Sträßchen durch den Wald. Daniel starrte den beiden nach.
Er ertappte sich dabei, Stuart Wagg zu hassen.
Kapitel Fünf
»Die Leiche von Bethany Friend wurde von einer mehrköpfigen Gruppe von Bergwanderern gefunden«, sagte Hannah. »Und zwar an einem feuchten Wintermorgen vor fast sechs Jahren. Am fünfzehnten Februar, um genau zu sein. Als man sie entdeckte, war sie noch keine vierundzwanzig Stunden tot.«
Greg Wharf wippte auf seinem Plastikstuhl vor und zurück. Zwar konnte man sein Verhalten nicht direkt als aufmüpfig bezeichnen, doch es war nicht weit davon entfernt. Der neue Detective Sergeant testete Hannahs Geduld aus, doch sie war entschlossen, ihn dieses Spielchen nicht gewinnen zu lassen. Sie befanden sich allein im gerade erst renovierten Besprechungszimmer. Jetzt standen überall Grünpflanzen in schicken Steintöpfen herum, und an den Wänden hingen abstrakte Klecksereien. Das Geld für die Sanierung stammte aus einem Überschuss im Budget des vergangenen Geschäftsjahres, obwohl die Polizeigewerkschaft es lieber als Bonus auf den Konten ihrer Mitglieder gesehen hätte.
Hannah kannte Greg Wharf kaum. Er stammte aus Newcastle, hatte blondiertes Haar und eine bereits leicht sichtbare
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