Zu Staub Und Asche
Wohnung ist ganz okay. Man ist zwar ein wenig beengt, aber für einen allein reicht es.« Sie zeigte auf ein Fenster in der ersten Etage. »Da oben ist mein Zimmer.«
Die Tür zu ihrer Wohnung befand sich in einem Gässchen an der Seite des Gebäudes. Während sie nach ihrem Schlüssel kramte, drehte sie sich noch einmal um und winkte ihm kurz zu. Marc winkte zurück, als sie im Haus verschwand.
Er ließ den Motor nicht sofort an. Zunächst einmal blieb er im Dunkeln sitzen und fragte sich erneut, ob er mit ihr gegangen wäre, wenn sie ihn in ihre Wohnung gebeten hätte.
In einem Fenster oberhalb der geschlossenen Post ging das Licht an. Marc sah Cassies Umriss. Sie streckte ihre langen, schlanken Arme aus. Es war unmöglich zu sagen, ob sie gähnte - oder jubelte.
Er war ganz sicher, dass sie sich auszog, aber auch, dass sie wusste, dass er vom Auto aus zuschaute. Warum sonst hätte sie ihm ihr Zimmer gezeigt?
Er stellte sich vor, wie sie sich nackt auszog, ihn zu sich nach oben lockte und ihn mit ins Bett nahm.
Doch ihr Gesicht erschien nicht am Fenster.
Marc wusste selbst nicht so richtig, warum er noch wartete. Es war wirklich lächerlich! Vielleicht hoffte er tief im Unterbewusstsein doch noch, dass sie ihre Meinung änderte und ihn hinaufbat. Eine dämliche Fantasie! Wahrscheinlich entsprang sie der vergifteten Mischung aus Alkohol und ihrer Anwesenheit.
Der Umriss verschwand, doch er wartete noch weitere zehn Minuten, bis er den Wagen anließ. Er brachte es nicht fertig, ihr süßes Gesicht aus seinem Gedächtnis zu verbannen.
Kapitel Sieben
»Bethany Friend ist tot.« In Nathans tiefer, sonorer Stimme hörten sich die harten Worte noch grausamer an. »Ihre Leiche wurde an einem verregneten Morgen im Krematorium verbrannt. Warum sollten wir die kalte Asche noch einmal aufwühlen?«
Er bewohnte ein Reihenmittelhaus im Herzen von Ambleside, dessen Eingangstür man unmittelbar vom Bürgersteig aus betrat. Gleich gegenüber befand sich ein Pub, ein Spirituosenladen lag um die Ecke. In den zehn Jahren, die Nathan hier wohnte, hatte er vermutlich in beiden Etablissements eine ordentliche Stange Geld gelassen. Im Schlafzimmer, das in der ersten Etage lag, hatte er mit Bethany geschlafen, doch hier im Wohnzimmer erinnerte nichts an sie. Noch nicht einmal ein verblichenes Foto auf dem Kaminsims. Es gab überhaupt keine Fotos in diesem Raum. Hannah nahm an, dass andere Menschen für Nathan wenig wichtig waren. Wahrscheinlich hatte er sich schon als Kind in sich selbst verliebt und war sich ein Leben lang darin treu geblieben. Auf einem kleinen Tisch türmten sich Bücher. Neben einem Flyer, auf dem das De-Quincey-Festival angekündigt wurde, lagen ein halbes Dutzend Mahnungen wegen unbezahlter Telefon-, Strom-und Gasrechnungen.
Hannah veränderte ihre Sitzposition auf dem Sofa. Es war abartig niedrig und so wabbelig wie ein missratener Pudding. Er hatte sie aufgefordert, sich zu setzen, war jedoch nicht so dumm gewesen, sich neben ihr niederzulassen. Stattdessen wanderte er ruhelos in dem kleinen Wohnzimmer auf und ab und blieb nur dann und wann stehen, um seine Kehrseite am prasselnden Kaminfeuer zu wärmen. Jedes Argument, das er anbrachte, unterstrich er mit einem Wedeln seiner muskulösen Arme. Seine gesamte Körpersprache vermittelte, wie gut er sich unter Kontrolle hatte.
»Wir haben die Akte nie endgültig geschlossen.«
Schlechte Wortwahl. Sie hörte sich an wie eine Beamtenseele, die eine Checkliste abhakt.
»Dann üben Sie sich also in Bürokratie? Müssen Sie gewisse Zielvorgaben erreichen? Oder wollen Sie einen Bonus erwirtschaften?«
»Hier geht es nicht um Zielvorgaben, Mr Clare. Bethanys Mutter ist schwer krank und hat nicht mehr lange zu leben. Sie hat nie verstanden, warum ihre einzige Tochter sterben musste. Es wäre ihr wichtig, endlich damit abschließen zu können.«
»Damit abschließen.« Nathan Clare hob seine dichten, düsteren Augenbrauen. »Eine nette Patentlösung, DCI Scarlett, aber leider nur Illusion. Das Leben verläuft nun einmal nicht sauber und geradlinig, und es gibt nicht immer elegante Lösungen für die Dinge, die dazwischenkommen.«
Hannah unterdrückte ein Seufzen. Erspare mir deine philosophischen Ergüsse!
»Dennoch wäre ich Ihnen sehr dankbar für Ihre Hilfe.«
»Das alles habe ich doch vor sechs Jahren schon einmal über mich ergehen lassen. Mehr kann ich Ihnen heute noch immer nicht sagen.«
»Sie und Bethany waren ein Liebespaar.«
Er zuckte die
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