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Zu Staub Und Asche

Zu Staub Und Asche

Titel: Zu Staub Und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Edwards
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den Ersatzschlüssel und wählte erneut. Die Telefonistin stellte ihn zu Waggs Sekretärin durch, doch auch sie konnte ihm nichts anderes mitteilen, als dass ihr Chef während des Urlaubs nur in absoluten Notfällen gestört zu werden wünschte. Erst als Daniel deutlich drängte, gab sie nach und vermittelte ihn an einen von Waggs Partnern weiter.
    »Hier ist Raj Doshi.« Die wenigen Worte klangen so sanft und beruhigend wie Musik von Panflöten oder tröstlicher Zuspruch am Krankenbett. Louise hatte mehrfach von Doshi gesprochen, der sich als Scheidungsanwalt einen Namen gemacht hatte. Es war auch Doshi gewesen, der Wanda Saffell nach dem Zwischenfall am Silvesterabend nach Hause gebracht hatte. »Was kann ich für Sie tun, Mr Kind?«
    »Ich muss unbedingt mit Stuart Wagg sprechen.«
    »Ich hoffe doch nicht, dass es sich um ein Problem mit Ihrer Schwester handelt?«
    Bestimmt kannte Doshi Waggs Ruf, was Frauen anging. Ob die Art und Weise, wie er sie benutzte, eine Auswirkung auf Kanzlei oder Kollegen hatte? Oder war Wagg so wichtig für die Sozietät, dass er über Narrenfreiheit verfügte und man seinen Eskapaden keine Bedeutung beimaß?
    »Ich muss dringend mit Stuart reden, und zwar bald, wenn Sie gestatten.«
    »Tut mir leid, Mr Kind, aber da kann ich Ihnen nicht helfen. Wir erwarten Stuart erst kommende Woche zurück, und wenn er weder auf dem Festnetz noch auf dem Mobiltelefon antwortet ...«
    »Passiert es öfter, dass er sich komplett ausklinkt?«
    »Kennen Sie Stuart, Mr Kind?«
    »Ich hatte zweimal das Vergnügen.«
    »Dann werden Sie sicher bemerkt haben, dass er ein sehr unabhängiger Mensch ist.«
    »Meine Schwester und ich sind äußerst besorgt. Ich befinde mich im Augenblick in Crag Gill. Die Stromversorgung ist unterbrochen, und er scheint das Haus nicht abgeschlossen zu haben.«
    Daniel vernahm ein diskretes Hüsteln - es war vermutlich die einzig adäquate Möglichkeit für Doshi, so etwas wie Schreck oder Entsetzen auszudrücken.
    »Nicht abgeschlossen, sagen Sie?«
    »Richtig.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Weil ich ... an der Eingangstür gerüttelt habe.«
    Vielleicht sollte er dem Anwalt nicht unbedingt verraten, dass er die letzte Stunde mit Hausfriedensbruch verbracht hatte.
    »Ich habe inzwischen mit dem Schlüssel meiner Schwester die Haustür abgeschlossen und das Haus gesichert.«
    Zumindest würde er es tun, sobald er das leere Gebäude verließ.
    »Das war sehr aufmerksam von Ihnen.«
    »Es erklärt aber nicht, was mit Stuart Wagg geschehen ist.«
    »Er wandert gern, Mr Kind. Vermutlich befindet er sich gerade jetzt, während wir miteinander sprechen, auf dem Heimweg.«
    »Und was hat es zu bedeuten, dass er sein Haus bei Stromausfall für jeden Dahergelaufenen offen lässt?«
    »Ich schließe meine Eingangstür auch nicht immer ab, Mr Kind.«
    »Dann glauben Sie also, dass kein Grund zur Sorge besteht?«
    »Bestimmt gibt es eine ganz einfache Erklärung. Trotzdem danke ich Ihnen herzlich für die Information! Guten Abend, Mr Kind.«
    Am anderen Ende wurde aufgelegt. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Doshi war nicht umsonst Anwalt. Und weil Daniel nicht wusste, wie er sich am geschicktesten verhalten sollte, vertraute er seinem Instinkt.
    Es war Zeit, Hannah Scarlett anzurufen.

Kapitel Elf
    War es wirklich wichtig, dass Wanda Saffells Name plötzlich in den Ermittlungsakten des Falls Bethany Friend auftauchte? Während des Gesprächs mit Maggie versuchte Hannah jedenfalls, die Sache herunterzuspielen. Der Diensteifer der jungen Kriminalbeamtin gehörte zu ihren Tugenden; trotzdem machte es keinen Sinn, vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Cumbria war eine kleine Welt für sich, auch wenn man es aufgrund seiner bunten Vielfalt leicht vergaß. Die Zahl der Einheimischen war äußerst gering, wenn man die Saisonarbeiter und die Touristen aus aller Welt abzog. Daher würde man die Tatsache, dass die Frau eines vermutlichen Mordopfers im Zusammenhang mit dem bisher ungeklärten Todesfall einer früheren Arbeitskollegin vor sechs Jahren befragt wurde, auf der Richterskala der Zufälle kaum registrieren.
    Trotzdem: Man konnte nie wissen! Wanda machte Hannah neugierig. Der Anblick des bekleckerten Arlo Denstone auf der Silvesterparty war ihr so lebhaft im Gedächtnis geblieben wie der Rotweinfleck auf seinem weißen Jackett. Wanda war von hitzigem Naturell und konnte sich offenbar nicht besonders gut beherrschen. An jenem Abend hatte sie zu viel getrunken und war sichtlich am Ende

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