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Zu Staub Und Asche

Zu Staub Und Asche

Titel: Zu Staub Und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Edwards
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orientieren.
    Als er sich der Eingangstür näherte, begann seine Haut zu prickeln. Im Lichtkegel der Taschenlampe entdeckte er eine weitere Überwachungskamera, die unter dem begrünten Dach des Hauses hing. Kein Wunder, musste doch Waggs Büchersammlung allein mindestens so viel wert sein wie eine Doppelhaushälfte. Aber falls der Besitzer von Crag Gill die Monitore beobachtete, würde er lediglich eine durch eine Kapuze verborgene Gestalt sehen, die auf die Eingangstür zukam.
    Zwei Meter über dem Vordach war eine Alarmanlage angebracht. Daniel war ihr rot blinkendes Licht aufgefallen, als Louise ihn mitgenommen hatte, um Stuart Wagg zu begrüßen. Doch jetzt schien sie nicht zu arbeiten. Vielleicht war die Stromzufuhr unterbrochen. Bei Gewitter rissen manchmal die Überlandleitungen.
    Vorsichtshalber klingelte er, aber auch hier war nichts zu hören. An der Tür hing ein Türklopfer aus massivem Messing. Fast eine halbe Minute lang bearbeitete Daniel die Tür. In der herrschenden Stille empfand er das Geräusch des Metalls auf dem Holz als fast ohrenbetäubend. Falls Wagg sich im Haus befand, musste er es einfach gehört haben.
    Aber nichts geschah.
    Daniel berührte den Türknauf, erwartete allerdings nicht, dass er sich bewegen ließe. Doch die Tür schwang weit auf - eine rasche, fast weich wirkende Bewegung.
    »Mist!«
    Die Bewohner des Lake District waren in aller Regel recht vertrauensvoll. Im Gegensatz zum restlichen England war die Kriminalitätsrate hier extrem niedrig; es war einer der Gründe, warum sich viele Menschen, die sich in den großen Städten nicht mehr sicher fühlten, in diese abgelegene Gegend flüchteten. Auch Daniel selbst klinkte die Tür von Tarn Cottage oft nur zu, wenn er einen Spaziergang in die Berge machte oder in Brack einkaufen ging. Allerdings gab es bei ihm nicht viel zu holen, während Crag Gill mit wahren Schätzen vollgestopft war. Er konnte einfach nicht glauben, dass Wagg nur vergessen hatte abzuschließen.
    Er zitterte. Eine merkwürdige Erregung breitete sich in ihm aus. Ob ein Dieb sich wohl ähnlich fühlen mochte, wenn er in das Haus von Menschen einbrach, deren Existenz ihm nichts bedeutete? Aber jetzt musste er hineingehen; er wagte nicht mehr umzukehren. Es war ihm unmöglich, auch nur zu vermuten, was Crag Gill für ihn bereithalten mochte. Vielleicht war Wagg ohne Bewusstsein oder so schwer verletzt, dass er nicht mehr selbst um Hilfe rufen konnte.
    Oder er war tot.
    Mit einem Schritt war Daniel im Haus.
    In seiner Fantasie malte er sich aus, wie es wäre, wenn jetzt Licht aufflammte, Sirenen schrillten und von überall her schreiende und wild gestikulierende Leute auftauchten. Sollte er in eine Falle getappt sein, würden die Schlagzeilen morgen schadenfroh titeln: Früherer Fernsehhistoriker bricht in Anwesen von Staranwalt ein. Man würde populäre Psychiater bemühen, um detailliert zu analysieren, wie Aimées Selbstmord, sein Weggang aus Oxford trotz aller eingeheimsten Preise und seine Flucht nach Brackdale zu seinem Niedergang beigetragen hatten.
    Doch nichts dergleichen geschah.
    Im Haus bewegte sich nichts.
    Der Eingangsbereich von Crag Gill erwies sich als nur geringfügig kleiner als die Kathedrale von Carlisle. Laut Louise litt Wagg an Klaustrophobie und bestand daher darauf, dass selbst die Toiletten luftig und groß gestaltet wurden. Der Lichtkegel von Daniels Taschenlampe wanderte über weiße Wände und verweilte auf den Wirbeln und Klecksen der hässlichen zeitgenössischen Bilder, die dort hingen. Dieses Haus war kein Heim, sondern ein Museum; die moderne Kunst sah aus, als hätte Wagg sie vom Meter gekauft. Wahrscheinlich waren diese Bilder sündhaft teuer gewesen, auch wenn ihr Wert vielleicht eines Tages abstürzte wie die Derivate einer pleitegegangenen Bank. Wagg war reich genug, sich um solche Aussichten nicht zu scheren. Die Kunstwerke, denen er wirklich Wert beimaß, waren die Einbände von Büchern; die aber waren viel zu kostbar, um platt gedrückt und eingerahmt zu werden.
    Eine Tür zur Linken führte in den Salon. Die Vorhänge waren nicht geschlossen. Von den Silvesterfeierlichkeiten war nicht einmal mehr ein Krümel zu entdecken. Ein riesiges L-förmiges Sofa stand mitten im Raum. Daniel ging hin, aber Gott sei Dank verbarg sich dahinter keine Leiche.
    Nächster Halt war die Wohnküche. Glänzende Elemente aus Zedernholz, ein Glastisch, der ungefähr so lang war wie der Bahnsteig von Oxenholme, ein Dutzend mit echtem schwarzem

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