Zu Staub Und Asche
unhöflich von mir. Ich schätze Ihre Freundlichkeit sehr. Natürlich sollte man bei der Arbeit persönliche Dinge außen vor lassen, aber das ist manchmal leichter gesagt als getan.«
»Wenn ich kann, helfe ich Ihnen gern.«
Sie seufzte. »Ach, was soll's - ich kann es Ihnen ebenso gut sagen. Mein Freund und ich hatten einen Riesenstreit. Ich glaube, es ist endgültig vorbei zwischen uns.«
»Das tut mir leid.«
In ihren Augen standen Tränen. Marc bekam es mit der Angst zu tun, weil ihm plötzlich bewusst wurde, dass er keine Ahnung hatte, wie er mit den Fakten umgehen sollte. Vielleicht hatte Zoe recht gehabt. Sein Leben war verworren genug.
Und dann spürte er, wie sie sich an ihn lehnte.
Trotz der kalten Winterluft roch er den Moschusduft von Cassies Haut. Er schloss die Augen und dachte an die SMS.
Verspäte mich, viel Verkehr. Daniel.
Und immer noch hatte er Mrs Beveridges ermutigenden Ratschlag im Ohr: Wenn schon, denn schon.
Er wandte sich zu Cassie um, merkte aber, dass sie sich bewegte. Als er die Augen öffnete, sah er, dass sie aufstand.
»Meine Mittagspause ist vorbei. Wir sollten Zoe nicht zu lang allein lassen.«
»Falls uns plötzlich die Kundschaft den Laden einrennt?«
»Man kann nie wissen.« Ihr Lächeln war unnatürlich strahlend. »Machen wir einen Wettlauf zum Laden?«
Kapitel Vierzehn
Wanda Saffells Kleinverlag befand sich in einem geduckten, weiß gestrichenen Gebäude in einer ruhigen Seitenstraße. Sie hatte ihn Stock-Ghyll-Press genannt - nach dem Bach, der auf seinem Weg zum Rothay durch das Zentrum von Ambleside unter dem meistfotografierten Gebäude der Stadt, dem Bridge House, hindurchfloss. Früher hatte der Bach die Spinnereien des Ortes angetrieben, doch der Baumwollhandel war längst zum Erliegen gekommen, und die Spinnereien waren entweder abgerissen oder in Ferienwohnungen umgewandelt worden.
Das Firmenschild hing über einem Schaufenster, in dem ein halbes Dutzend exquisit gebundener Bücher ausgestellt war - einige von ihnen geöffnet, um auch die Holzschnitte auf den Innenseiten zu zeigen. An prominenter Stelle entdeckte Hannah einen schmalen Band, der in aufwendiger Schrift den Namen des Autors trug.
Nathan Clare.
Eine Tür öffnete sich quietschend. Auf der Schwelle stand Wanda Saffell und musterte Hannah von oben bis unten. Es war eine genaue Untersuchung, als überprüfe sie eine druckfertige Seite auf typografische Fehler.
»Ich habe von oben gesehen, wie sie meine Bücher angeschaut haben.«
»Sie sind wunderschön.«
Okay, für den guten Start eines Gesprächs war es nun einmal notwendig, dass man den Gesprächspartner ein wenig sanftmütig stimmte.
»Das findet Ihr Lebensgefährte ebenfalls. Diese Woche erst hat er sich bereit erklärt, sechs Exemplare von Nathans Buch zu übernehmen. Das hat er Ihnen doch sicher gesagt, oder?«
Nein, zum Teufel, hatte er nicht! Hanna verbiss sich einen ärgerlichen Seufzer, und Wanda hob die Augenbrauen. Es sah ausgesprochen elegant aus, wie alles, was sie tat. Selbst als sie Arlo Denstone mit Wein übergoss, war ihre Handbewegung geschmeidig und irgendwie vornehm gewesen. Heute trug sie zwar kein Outfit, das zu einer schicken Party in der Villa eines reichen Mannes gepasst hätte, aber trotzdem gelang es ihr sogar, in Sweatshirt und Jeans stylish auszusehen. Und doch stellte Hannah einen Missklang fest - einen stechenden Geruch, der Wanda zu begleiten schien. Sie roch scharf, fast schon metallisch; die Duftnote war Hannah vertraut, ohne dass sie hätte sagen können, woher.
»Marc hat mir von Ihnen erzählt.«
»Und ich habe Sie auf Stuart Waggs Party gesehen, obwohl wir einander nicht vorgestellt worden sind.«
»Nun, da haben Sie mich ja nicht gerade von meiner besten Seite kennengelernt.«
Hannah wartete.
»Dass ich total betrunken war, brauche ich Ihnen wohl nicht zu gestehen. Ich kann noch von Glück sagen, dass Ihre Kollegen von der Verkehrspolizei mich auf meinem Weg nach Crag Gill nicht erwischt haben. Ich möchte nicht wissen, wie der Test ausgefallen wäre, wenn ich hätte blasen müssen.« Ihr Lächeln enthüllte scharfe Eckzähne; ihre kühlen blauen Augen lächelten nicht mit. »Selbstverständlich würde ich jedes einzelne Wort leugnen, falls uns jetzt jemand zugehört hätte.«
»Auf jeden Fall schienen Sie an diesem Abend nicht sehr glücklich zu sein.«
Wanda stützte die Hände in die Hüften. »Mein Mann kam erst vor wenigen Wochen auf ganz schreckliche Weise ums Leben, Chief
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