Zu Staub Und Asche
des Korridors. Hannahs Magen knurrte. Hätte Wanda ihr Kekse oder Teegebäck angeboten, würde sie nicht ablehnen.
In den wandhohen Regalen standen Produkte der Stock-Ghyll-Presse. Neben einem Schreibtisch mit Computer war der Raum mit einem kleinen, runden Tisch und drei Stühlen ausgestattet. Auf dem Tisch lag ein Exemplar von Nathan Clares Buch. Während Wanda in der kleinen Küche am Ende des Flurs herumhantierte, blätterte Hannah es durch.
Ihre Begeisterung hielt sich in Grenzen.
Wanda kam zurück und stellte zwei dampfende Becher auf den Tisch. Von Gebäck weit und breit keine Spur.
»Nathan ist unglaublich talentiert.«
»Das hat er mir auch gesagt.«
»Stimmt, er erwähnte, dass Sie ihn befragt haben. Ich bin sicher, er hat Ihnen erklärt, wie übel ihm das Schicksal mitgespielt hat. Ihre Miene verrät mir, dass sein Werk nicht unbedingt Ihren Beifall findet, Chief Inspector. Ihr Lebensgefährte allerdings war durchaus beeindruckt.«
»Dann beuge ich mich seiner Sachkenntnis.«
Wanda lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Ihre Körpersprache verriet die lässige Übernahme der Führung.
»Sie haben sich also die Akte der armen Bethany Friend noch einmal vorgenommen und wollen mit Nathan, mir und vermutlich allen anderen reden, die sie - sei es noch so entfernt - gekannt haben.«
»Nun, in Mr Clares Fall wäre ›entfernt‹ eine gewisse Untertreibung«, gab Hannah zurück. »Er und Bethany hatten kurz vor ihrem Tod eine Beziehung.«
»Wenn ich Sie wäre, würde ich da nicht zu viel hineindeuten. Nathan hat zahllose Beziehungen; er ist geradezu berühmt dafür.«
»Und Sie und er ...?«
Wanda blieb ganz ruhig. Sie hatte sich auf das Gespräch vorbereitet und nicht die Absicht, die Kontrolle zu verlieren.
»Wir sind uns einig und zudem erwachsene Menschen, Chief Inspector. Mehr habe ich zu diesem Thema nicht zu sagen. Was Bethany angeht, so habe ich sie durch die Arbeit kennengelernt, wie Hunderte anderer Menschen auch.«
»Sie waren miteinander befreundet.«
»Sie war ein nettes Mädchen.« Wandas Stimme klang neutral. Sie zeigte ihre Gefühle nicht, es sei denn, sie war betrunken, wütend oder beides. »Hübsch und ein bisschen naiv. Sehr reserviert, aber ausgesprochen charmant, sobald sie einen besser kannte und langsam auftaute.«
»Wussten Sie, dass sie auch bei Ihrem Mann gejobbt hat?«
»Bei George?« Wanda riss die Augen auf. »Nein, das hat sie nie erwähnt.«
Hannah spürte, dass Wanda ehrlich überrascht war, hakte aber noch einmal nach. »Tatsächlich? Und George? Hat er auch nie darüber gesprochen?«
»Nein, warum sollte er? Sie dürfen nicht vergessen, dass wir uns zu der Zeit, als ich mit Bethany befreundet war, noch gar nicht kannten. Und wir haben auch nie über sie gesprochen.«
»Bestimmt nicht?«
»Hundertprozentig.«
»Und was ist mit Bethanys Zeit bei Stuart Wagg? Wussten Sie darüber ebenfalls nichts?«
»Worauf wollen Sie hinaus, Chief Inspector? Fragen Sie jeden, der Ihnen über den Weg läuft, darüber aus, wo er früher gearbeitet hat? Ich jedenfalls nicht. Bethany wechselte alle naselang die Jobs.«
Es war Zeit, dem Gespräch eine andere Richtung zu geben. »Sie sagten, sie war naiv?«
»Leicht zu beeinflussen.«
»Wer hat versucht, sie zu beeinflussen?«
»Ich habe mich nicht in ihr Leben eingemischt, Chief Inspector. Sie war jünger als ich. Wenn wir uns unterhielten, dann meistens über die Bücher, die wir zuletzt gelesen hatten.«
»Können Sie mir sonst noch etwas über sie erzählen?«
»Nicht mehr als das, was ich nach ihrem Tod schon zu Protokoll gegeben habe.«
»Das, was mit ihr geschehen ist, muss Sie doch irgendwie berührt haben!«
»Man hat nie nachweisen können, dass es Mord war. Soviel ich weiß, ist sie freiwillig aus dem Leben geschieden.«
»Entsprach ein Freitod ihrem Charakter?«
»Ich war eine Arbeitskollegin, nicht ihre Psychotherapeutin. Wir hatten nicht einmal den gleichen Arbeitgeber. Mein Unternehmen bekam den Auftrag, das Image der Universität aufzupolieren. Ich traf Bethany, weil sie als Sekretärin für den Universitätssprecher jobbte und bei den Verhandlungen immer dabei war, um mitzuschreiben.«
»Und Sie verstanden sich?«
»Wir stellten fest, dass wir uns für die gleiche Art von Literatur interessierten. Sie wollte unbedingt schreiben, während sich meine kreative Ader auf die Herstellung im Verlag beschränkt. Aber die Liebe zu Büchern verbindet.«
»Aber sie hat Ihnen nie
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