Zu Staub Und Asche
wieder arbeitet. Weil ich niemanden stören wollte, habe ich wie immer die Rechnung in den Briefkasten geworfen und bin wieder gefahren.«
»Haben Sie eine Idee, wo er sein könnte?«
»Er wandert doch gern, nicht wahr? Irgendwann hat er mir mal erzählt, dass er gern an der frischen Luft ist.«
Er spuckte auf den Boden, um keinen Zweifel daran zu lassen, was er persönlich von einem Weichei von Anwalt hielt, der sich selbst als Frischluftfanatiker darstellte.
»Aber er ist verschwunden.«
»Vielleicht hat er sich irgendwo in einem Bed & Breakfast vergraben. Oder in einem Luxushotel. Würde besser zu ihm passen.«
»Er könnte auch in eine Schlucht gestürzt sein«, wandte Louise ein.
»Glauben Sie mir, Kleine, Stuart Wagg fällt immer auf die Füße.« Er grinste sie schief an. »Zumindest hoffe ich das. Ich kann mir nicht leisten, einen guten Kunden zu verlieren.«
»Haben Sie die Schlüssel zu den Außengebäuden? Könnte ja sein, dass er einen Unfall hatte ...«
»Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass er sich selbst ausgesperrt hat, aber Sie können ja mal nachschauen.«
Ganz offenkundig dachte er, dass sie aus einer Mücke einen Elefanten machte, trotzdem ging er ihr voraus in den baumbestandenen Garten, der hoch über dem Windermere lag. Zwar war dieser Teil des Sees noch nicht zugefroren, aber ein Schiff war nirgends zu sehen. Wie es sich für ein Anwesen gehörte, dessen Name aus einem Roman von Ransome stammte, gab es einen Anleger aus Holz, an dem ein schlankes Fiberglasboot vertäut lag. Nur wegen des äußeren Erscheinungsbildes, wie Louise sagte: Stuart Wagg litt unter Seekrankheit und hasste das Segeln. Zum ersten Mal sah Daniel die Anlage bei Tageslicht. Die Lage von Crag Gill war einfach traumhaft. Das Haus schmiegte sich an den Hang wie ein in tiefes Gebet versunkenes Kirchlein.
Das Grundstück wurde von hohen, dichten, aber nicht undurchdringlichen Weißdornhecken begrenzt - ähnlich der Hecke, durch die sich Daniel einige Tage zuvor gequetscht hatte. Am Ende der Auffahrt stand eine Dreiergarage, die an ein großes Lagerhaus aus Backstein angebaut war.
»In der Garage war ich noch nie«, flüsterte Louise. »Ich habe immer draußen geparkt, weil ich Angst hatte, den Kotflügel seiner Scheißkarre anzutitschen. Das andere Gebäude ist voller Gartenutensilien, aber vielleicht sollten wir für alle Fälle trotzdem einmal hineinschauen ...«
Swallow schloss das Lagerhaus auf und winkte sie hinein. Drinnen parkte ein Reitermäher. An den Wänden hingen Hacken, Spaten, Sensen in allen Größen, Stuart Wagg jedoch war nicht zu sehen. Daniel warf einen Blick in den Durchgang zur Garage, wo die Spielzeuge eines reichen Mannes ordentlich in Reih und Glied geparkt waren. Ein Bentley, um Klienten zu beeindrucken, ein Mercedes-Cabrio für eine gelegentliche Spritztour und eine glänzend polierte Harley-Davidson zum persönlichen Vergnügen.
»Das Bike nimmt er immer mit zur Tourist Trophy auf der Isle of Man«, sagte Swallow. »Abgesehen davon fährt er es höchstens alle Jubeljahre einmal. Wie dem auch sei: Sie sehen ja, dass er zu Fuß unterwegs ist. Schließlich würde sonst ein fahrbarer Untersatz fehlen, oder?«
»Anzunehmen.«
Louises Stimme klang kläglich, als wüsste sie, dass Swallow insgeheim über ihre Dummheit lachte. Sie hasste es, sich zum Narren zu machen.
»Bestimmt wollen Sie auch noch einen Blick ins Gartenhaus werfen.« Swallow hob fragend die buschigen Augenbrauen. »Um sicherzugehen, dass er beim Fenstergucken nicht aus den Latschen gekippt ist.«
Er spuckte auf den Boden und machte sich quer durch den Garten auf den Weg zu einem hübschen Holzhaus mit Veranda. Dabei pfiff er etwas, das entfernt an den The Dumbusters March erinnerte.
Unterwegs flüsterte Daniel Louise zu: »Er sollte eigentlich nicht Alf Swallow heißen. Swallow bedeutet schließlich ›der Schlucker‹. Wie wäre es stattdessen mit Alf der Spucker?«
Aber Louise war nicht in der Stimmung, über Daniels Scherze auch nur zu lächeln. »Irgendetwas Schreckliches ist passiert«, zischte sie.
Unter ihrer dicken Fleecejacke fröstelte sie. Daniel griff nach ihrem Arm und drückte ihn. Zusammen rannten sie hinter dem Gärtner her und erreichten ihn, als er den Schlüssel in das Sicherheitsschloss des Gartenhauses steckte. Im Innenraum standen ein Tisch und mehrere aufeinandergestapelte Gartenstühle. Besteckkästen und Kartons mit Geschirr befanden sich auf einem Regal an der Rückwand. Spinnweben hingen
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