Zu Staub Und Asche
vor den Fenstern, und als Daniel über die Schwelle trat, stob eine Staubwolke auf und reizte ihn zum Niesen.
»Gesundheit«, sagte Swallow.
»Gibt es jetzt noch irgendeine Stelle, wo wir nicht gesucht haben?«, fragte Louise.
Alf schüttelte den Kopf. »Nur noch den Brunnen«, gab er zurück. »Aber wie ich ihn kenne, ist er bestimmt nicht dort.«
»Himmel, den Brunnen hatte ich völlig vergessen!« Louise schüttelte den Kopf. »Stuart hat ihn mir gezeigt, als er mich zum ersten Mal hier herumgeführt hat.«
»Er wird schon lange nicht mehr benutzt und stammt mindestens aus der Zeit, als das alte Haus noch stand. Wenn ich mich recht entsinne, wurde er sogar schon viele Jahre davor gegraben. Früher gab es hier überall solche Brunnen.«
»Wie tief ist er?«, wollte Daniel wissen.
»Knapp zehn Meter, vielleicht weniger. Der Grund ist inzwischen verschlammt. Eigentlich wollte der Boss ihn schon längst zuschütten lassen, aber bisher sind wir noch nicht dazu gekommen. Er war immer mit Holzbohlen abgedeckt, aber weil die allmählich morsch wurden, habe ich vor ungefähr einem Jahr eine schwere Metallplatte daraufgelegt, die ein Einzelner kaum alleine bewegen kann. Also keine Sorge, Kleine, es ist unmöglich, zufällig hineinzuplumpsen.«
»Trotzdem sollten wir zumindest einen kurzen Blick hineinwerfen«, schlug Daniel vor. »Wir wollen doch nichts unversucht lassen.«
Swallow zuckte die Schultern und ging über einen grasbewachsenen Weg an einigen dichten Mahonien vorbei bis zu einer kleinen Lichtung. Nicht weit von der Grenzhecke entfernt befand sich ein Komposthaufen. Daniel rümpfte die Nase. Das verrottende Grünzeug stank erbärmlich. Auf einem kleinen Absatz aus zerbrochenen Backsteinen lag eine schwere, runde, leicht angerostete Metallplatte.
»Das ist ja komisch!«, sagte Swallow plötzlich.
»Was denn?«, erkundigte sich Louise. Ihre Stimme klang heiser.
»Ich könnte schwören, dass der Deckel anders lag, als ich das letzte Mal eine Schubkarrenladung Kompost herbrachte. Jetzt haben Sie mich so weit, dass ich mir auch schon Dinge einrede.«
»Können Sie den Deckel anheben?«, fragte sie schüchtern.
Alf Swallow verdrehte die Augen zum Himmel. »Wissen Sie, was dieses Ding wiegt, Kleine? Schauen Sie es sich doch an! Niemand kann ein so schweres Teil versehentlich bewegen.«
»Ich helfe Ihnen«, sagte Daniel und trat auf den Brunnen zu. »Lassen Sie uns nachschauen.«
»Schon gut, Mister, überlassen Sie das ruhig mir.« Swallows gute Laune schien allmählich nachzulassen. »Sie wollen sich doch nicht den Rücken auskugeln!«
Nachdem er sozusagen zur Vorbereitung noch einmal ausgespuckt hatte, bückte sich der Gärtner und schob mit einem lauten Grunzen, das jedem Wimbledonstar beim Aufschlag zur Ehre gereicht hätte, den Metalldeckel zur Seite. Eine kleine, dunkle Öffnung kam zum Vorschein.
Als Alf Swallow aber in den Brunnen schaute, riss er die Augen auf. Sein Gesicht verdunkelte sich. Alle Verachtung wich. Er fluchte.
Daniel hatte einen dicken Kloß im Hals. Vor dieser Situation hatte er sich zwar gefürchtet, sich aber immer und immer wieder zu überzeugen versucht, dass es geradezu unmöglich war.
Louise stieß einen erstickten Schrei aus. »Was ist denn los?«
Daniel trat einen Schritt nach vorn, schob den Gärtner ein wenig zur Seite und blickte selbst hinunter in den Abgrund. Der eigentliche Brunnen war ein schwarzes Loch. Als er jedoch neben dem Loch niederkniete und hineinzuspähen versuchte, traf ihn ein entsetzlicher Gestank wie ein Hieb mit einem Schlagring. Er wich zurück. Nur unter Aufbietung aller Kräfte gelang es ihm, nicht in das Loch zu fallen.
Etwa fünf Meter unterhalb der Kante, etwa dort, wo sich das Loch zu einem schwarzen Nichts verengte, kauerte der gebrochene und geschundene Körper eines Mannes in Hemd und Hose. Seine Kleidung war weder der Jahreszeit noch seinem kalten, unterirdischen Verlies angemessen. Er hatte sich zu einer fötalen Stellung zusammengerollt - ob aus Angst vor Schlägen oder in Erwartung eines schrecklichen Schicksals hätte Daniel nicht sagen können. Das Gesicht war Gott sei Dank nicht sichtbar, denn die Insekten hatten ihr Werk sicher längst begonnen. Dennoch gab die Identität der Leiche kein Rätsel auf - trotz des Schmutzes und des zu Krusten getrockneten Blutes war die stolze, dunkle Haarmähne unverkennbar.
Der Gärtner hatte sich geirrt.
Dieses Mal war Stuart Wagg nicht auf die Füße gefallen.
Kapitel Fünfzehn
»Hannah?
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