Zu Staub Und Asche
gerieten.
»Bereit?«, fragte er, als er unmittelbar nach Ablauf der vereinbarten fünf Minuten aus seinem Kämmerchen auftauchte.
»Wenn Sie es sind.«
Er schaltete den Alarm ein und folgte ihr nach draußen. Der Hof lag verwaist da. Während er abschloss, stampfte sie mit den Füßen auf. Er hörte ihre Zähne klappern.
»Du liebe Zeit, heute Abend gefriert es ja Stein und Bein.«
»Ein Grund mehr, Sie nicht hier draußen im Dunkeln auf einen Bus warten zu lassen, der vielleicht nie kommt.«
»Ich kann immer noch nicht fassen, dass Sie mein Chef sind«, sagte Cassie. »Ich habe schon für Leute gearbeitet, denen völlig gleichgültig war, wie es ihrem Personal ging. Aber Sie sind wirklich nett.«
Marc verstaute die Ladenschlüssel in seinem Rucksack. »Vielleicht bin ich einfach kein richtiger Chef.«
Ihr Lächeln leuchtete im Dunkeln. »Sie sollten Ihr Licht nicht immer so unter den Scheffel stellen. Sie sind fantastisch.«
»Und Sie heben meine Laune.« Für einen kurzen Augenblick berührten sich ihre Hände. Ihre Finger waren eiskalt. »Sie haben recht - Sie frieren.«
Cassie ging einige Schritte auf Marcs Auto zu. »Zu Hause werde ich mich erst einmal richtig aufwärmen.«
Sie stiegen ein. »Wenn Sie möchten, gebe ich Ihnen in dem gottverlassenen Pub einen Jameson aus.«
Sie schnallte sich an und strich züchtig ihren Mantel glatt. »Lieber nicht. Trotzdem vielen Dank.«
»Wie Sie möchten.«
Im Auto war es still wie in einem Leichenwagen. Um das Schweigen zu brechen, schaltete Marc das Radio ein. Sie hörten Duffy, die eine Schnulze aus den Siebzigern coverte und ihren Liebsten anbettelte: Don't go, please stay. Marcs Hände krampften sich um das Lenkrad. Er war sich Cassies nur wenige Zentimeter entferntem Körper bewusster denn je - und er hatte keine Ahnung, was in ihrem Kopf vorging. Mal war sie warm, dann wieder eiskalt. Gehörte dieser Wankelmut zu ihrem Repertoire, sozusagen als Mittel, Macht über Männer auszuüben? Die Ballade erreichte ihren melodramatischen Höhepunkt, als Marc die Kreuzung der Hauptstraße erreichte. Um diese Uhrzeit musste man hier normalerweise lange warten, ehe sich eine Lücke im fließenden Verkehr bot. Doch an diesem Abend waren beide Straßen so leer, als wären alle Menschen bereits nach Hause geflohen.
Sechs Uhr. Zeit für die Lokalnachrichten.
»Auf dem Grundstück eines Hauses nahe Bowness wurde die Leiche eines Mannes gefunden«, sagte der Nachrichtensprecher. »Die Polizei hat bisher nicht offiziell bestätigt, dass es sich bei dem Toten um den bekannten Anwalt Stuart Wagg handeln soll, der seit vierundzwanzig Stunden vermisst gemeldet war. Nachdem sich die Wetterbedingungen im gesamten Bezirk rapide verschlechtert haben ...«
»Scheiße!«
Um Haaresbreite hätte Marc ein Straßenschild umgefahren. Ruckend kam der Wagen zum Stehen. Keiner von beiden sprach ein Wort. Langsam beschlug die Windschutzscheibe.
»Das ist ...« Marc rang um Worte.
»Unglaublich?«, murmelte Cassie.
»Da muss ein Irrtum vorliegen.«
»Das ist kein Irrtum.«
Er starrte sie in der Dunkelheit an. »Wie können Sie sich da so sicher sein?«
»Ganz einfach, Mr Amos. Die Medien würden keinen Namen nennen, wenn sie sich seiner Identität nicht ganz sicher wären. Stellen Sie sich doch mal die Empörung vor, falls sie sich geirrt hätten.«
»Wahrscheinlich haben Sie recht.«
»Verlassen Sie sich nicht unbedingt auf mich. Ihre Lebensgefährtin arbeitet bei der Kriminalpolizei und weiß sicher Bescheid. Warum fragen Sie sie nicht einfach?«
Marc hatte vergessen, dass Cassie und Hannah sich flüchtig kannten. Damals hatte er sich ein wenig geärgert, als Hannah unangekündigt in den Laden gekommen war. Normalerweise interessierte sie sich nicht für sein Geschäft, und er argwöhnte, dass sie sich lediglich ein Bild von seiner letzten Neueinstellung machen wollte. Trotzdem hatte er nichts dagegen, dass Cassie sich darüber im Klaren war, dass er in einer festen Beziehung lebte. Auf diese Weise gäbe es keine Missverständnisse und keine Schuldzuweisungen.
»Hannah leitet das Cold-Case-Team. Sie untersucht Verbrechen, die in der Vergangenheit begangen wurden.«
»Trotzdem ist sie Insiderin. Und sie kannte Stuart. Sie haben mir erzählt, dass Sie zusammen auf seiner Silvesterparty waren.«
»An dem Abend war er schwer in Form.« Marc starrte in die Nacht hinaus. Der Mond war nicht zu sehen. Sie hätten sonst wo sein können. Nur sie beide, allein im Dunkeln. »Was zum
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