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Zu viel Glück: Zehn Erzählungen (German Edition)

Zu viel Glück: Zehn Erzählungen (German Edition)

Titel: Zu viel Glück: Zehn Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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andere Menschen auch eine geregelte Arbeitszeit. Sie fuhren nach Hause, gingen in ihre Wohnzimmer oder Büros oder Arbeitszimmer, stellten den Fernseher an und knöpften den Kragen auf. Holten sich was zu trinken und hofften, es würde was Schönes zum Abendessen geben. Wenn sie in die Kirche kamen, dann waren sie im Dienst. In ihrer Amtstracht, bereit für ein Ritual. Die Messe?
    Oder um die Beichte abzunehmen. Aber dann konnte man nie wissen, wann sie da waren. Betraten und verließen sie ihren vergitterten Sitz nicht durch eine Geheimtür?
    Ich musste jemanden fragen. Der Mann, der die Körbe verteilt hatte, schien nicht aus rein privaten Gründen hier zu sein, obwohl er offenbar kein Kirchendiener war. Es brauchte auch niemand einen Kirchendiener. Die Leute suchten sich aus, wo sie sitzen oder knien wollten und beschlossen manchmal, aufzustehen und sich einen anderen Platz zu suchen, vielleicht, weil sie das grelle Juwelengeglitzer der Sonne störte. Als ich ihn ansprach, flüsterte ich aus alter Gewohnheit, und er musste mich bitten, es zu wiederholen. Ratlos und verlegen wies er mit wackligem Kopfnicken zu einem der Beichtstühle. Ich musste konkreter und überzeugender werden.
    »Nein, nein. Ich möchte nur mit einem Priester sprechen. Ich bin hergeschickt worden, damit ich mit einem Priester spreche. Einem Priester namens Pater Hofstrader.«
    Der Körbe-Mann verschwand einen Gang auf der anderen Seite hinunter und kehrte nach kurzer Zeit mit einem energisch ausschreitenden korpulenten jungen Priester in normalem schwarzen Habit zurück.
    Der wies mich in ein Zimmer, das mir zuvor nicht aufgefallen war – eigentlich kein Zimmer, denn wir gingen durch einen Torbogen, nicht durch eine Tür – und das sich im hinteren Teil der Kirche befand.
    »Hier drinnen können wir reden«, sagte er und rückte mir einen Stuhl zurecht.
    »Pater Hofstrader …«
    »Oh nein, ich muss Ihnen sagen, ich bin nicht Pater Hofstrader. Pater Hofstrader ist nicht hier. Er ist im Urlaub.«
    Einen Augenblick lang wusste ich nicht, wie nun weiter.
    »Ich werde mein Bestes tun, um Ihnen zu helfen.«
    »Da ist eine Frau«, sagte ich, »eine Frau, die im Sterben liegt, im Princess Margaret Hospital in Toronto …«
    »Ja, ja. Wir kennen das Princess Margaret Hospital.«
    »Sie bittet mich – ich habe hier einen Brief von ihr – sie möchte Pater Hofstrader sehen.«
    »Ist sie ein Mitglied dieser Gemeinde?«
    »Das weiß ich nicht. Ich weiß nicht, ob sie katholisch ist oder nicht. Sie kommt von hier. Aus Guelph. Sie ist eine Freundin, die ich seit vielen Jahren nicht gesehen habe.«
    »Wann haben Sie mit ihr gesprochen?«
    Ich musste erklären, dass ich nicht mit ihr gesprochen hatte, sie hatte geschlafen, aber den Brief an mich hinterlegt.
    »Aber Sie wissen nicht, ob sie katholisch ist?«
    Er hatte eine aufgesprungene wunde Stelle am Mundwinkel. Sie musste ihm beim Sprechen weh tun.
    »Ich meine, sie ist katholisch, aber ihr Mann nicht, und er weiß nicht, dass sie es ist. Sie will nicht, dass er es erfährt.«
    Ich sagte das, weil ich ein wenig Klarheit schaffen wollte, auch wenn ich nicht genau wusste, ob es stimmte. Ich hatte die Befürchtung, der Priester könnte sonst bald jedes Interesse verlieren. »Pater Hofstrader muss das alles gewusst haben«, sagte ich.
    »Sie haben nicht mit ihr gesprochen?«
    Ich sagte, dass sie unter Medikamenten gestanden habe, aber das sei nicht ständig so, und ich sei überzeugt, sie habe Phasen der Klarheit. Auch das betonte ich, weil ich es für notwendig hielt.
    »Wenn sie die Beichte ablegen möchte, dann steht im Princess Margaret immer ein Priester zur Verfügung.«
    Ich wusste nicht, was ich weiter sagen sollte. Ich holte den Brief heraus, strich ihn glatt und gab ihn ihm. Ich sah, dass die Schrift längst nicht so lesbar war, wie ich gedacht hatte. Nur im Vergleich zu den Buchstaben auf dem Umschlag.
    Er verzog das Gesicht.
    »Wer ist dieser C.?«
    »Ihr Mann.« Ich hatte Angst, er könnte sich nach dem Namen ihres Mannes erkundigen, um sich mit ihm in Verbindung zu setzen, aber nein, er fragte nach dem von Charlene. Von dieser Frau, sagte er.
    »Charlene Sullivan.« Ein Wunder, dass mir ihr Familienname einfiel. Und für einen Augenblick war ich beruhigt, denn es war ein Name, der katholisch klang. Natürlich hieß das, dass der Ehemann der Katholik war. Aber der Priester konnte daraus schließen, dass er vom Glauben abgefallen war, was Charlenes Geheimnistuerei verständlicher und ihre

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