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Zu viele Flueche

Zu viele Flueche

Titel: Zu viele Flueche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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durch die Flure.
    »Das Wimmernde Weib?« Morton schlotterte.
    »Das Wimmernde Weib wandert durch den Westflügel, während die Woche weicht.«
    »Da hast du ja recht. Es ist einfach zu still, wenn man sie ist.«
    Am anderen Ende des Flurs erloschen die Fackeln. Obwohl sie oft von selbst abblendeten und aufflammten, waren sie vorher doch nie ganz ausgegangen.
    »Das ist merkwürdig.«
    »Unerwartet und unerhört. Hier huscht Heimliches.« Als Eule besaß Olivia eine außergewöhnliche Nachtsicht. Sie sah zwar etwas im Dunkeln, konnte es aber nicht recht erkennen. Die Kreatur schien die Schatten als Umhang zu tragen. »Ich bemerke eine böse Brut, eine gefahrvolle Gegenwart.«
    Der Vampirkönig blieb stehen und blickte über die Schulter auf das Wesen in den Schatten. Das Monster trat vor. Eine einzelne riesige Pranke streckte sich ins Licht, bevor sie wieder durch den Schleier der Schatten verhüllt wurde. Die Bestie schnaubte. Flammen schossen aus ihren Nüstern, erleuchteten die Dunkelheit aber nicht. Nur seine schnappenden gelben Zähne waren deutlich zu sehen.
    »Das kann doch nicht sein.« Der König erstarrte vor Angst. »Ich glaube nicht, dass er wahnsinnig genug wäre, um einen von denen hier zu halten.«
    Die Bestie schlich vorwärts.
    »Was ist das?«, fragte Morton.
    »Der Tod. Der Tod für die Toten.«
    »Tja, dann haben wir wohl nichts zu befürchten. Wir sind ja beide lebendig.«
    Olivia nickte. »Unversehrt und ungefährdet, weil wir weiter bestehen.«
    In der Tat ignorierte die Kreatur sie ganz offensichtlich. Während sie sich näherte, blieben ihre gelben Augen unverwandt auf den Vampirkönig gerichtet.
    »Vor dieser verteufelten Fauna zu fliehen wäre vermutlich vorteilhaft.«
    »Was?«
    »Sie rät dir wegzulaufen«, übersetzte Morton. Als hätte es die Bestie ebenfalls verstanden, griff sie an. Jeder Schritt ins Licht war ein verschwommenes Gewirr von Zähnen, Klauen und Feuer. Die Dunkelheit jagte ihr nach. Der Vampirkönig drehte sich um und stürmte in einem Chaos aus klirrendem Geläut davon. Die Bestie verfolgte ihn, jagte an Olivia und Morton vorbei, um den König zu hetzen.
    Sie mussten würgen. Es waren nicht Schatten, die die Bestie verbargen, sondern ein dicker, fremdartiger Rauch, der nach Schwefel roch.
    Olivia nahm die Maus in ihre Krallen und flog hinterher. Es war nicht schwer, ihnen zu folgen. Der König machte ja viel Lärm, wenn er rannte.
    »Er wird das Ding niemals abhängen.«
    »Die Kakophonie konspiriert gegen den König.«
    In der Ferne schrie der Vampir, und die Rauchbestie heulte auf. Olivia bog um eine Ecke. Das Monster schnaubte erneut, spuckte noch ein Flammenmeer und rannte, den König fest zwischen die grausigen Kiefer geklemmt, davon. Das donnernde Krachen von zehntausend Glocken übertönte die Schreie des Vampirs.
    Olivia landete, und Morton schnüffelte an einem schwarzen Stofffetzen.
    »Die Kleidung des Königs«, bemerkte sie. »Vielleicht ist der Vampirkönig verstorben?«
    »Nicht verstorben.« Morton zog das Stück Stoff beiseite und enthüllte ein Stückchen Fleisch, ein spitzes Ohr. »Verzehrt.«
    Olivia schauderte und plusterte ihr Federkleid auf.
    »Verhängnisvoll.«

FÜNF
     
    Nessy wachte auf und stellte fest, dass Die Tür Am Ende Des Flurs schon wieder fort war. Das ärgerte sie. Sie mochte es, wenn alles dort blieb, wo es hingehörte, und Die Tür Am Ende Des Flurs war zur Tür Die Hinging Wo Immer Sie Wollte geworden. Das war äußerst unordentlich und vollkommen inakzeptabel, selbst für ein magisches Schloss. Aber ein neuer Tag war angebrochen, und mit ihm kamen die Pflichten und Aufgaben eines neuen Tages.
    Heute war Poliertag. Er wurde nur alle paar Wochen nötig, aber er war einer ihrer Lieblingstage. Es gab nichts Schöneres, als Silber zu polieren und Messing zu putzen und ihr Spiegelbild in dem blanken Metall zu sehen. Der bloße Gedanke daran vertrieb ihren Ärger.
    Sir Thedeus und Echo machten sich auf, um die Geschichte ihrer gefährlichen Begegnung mit Der Tür herumzuerzählen. Viele, wenn auch nicht alle Schlossbewohner lebten für diese Art von Geschichten. Langeweile war ein ständiges Ärgernis, wenn man nur in einem Porträt, als Statue oder am Grund einer tiefen, dunklen Grube lebte. Obwohl das Schloss Hunderte von Bewohnern hatte, konnten die meisten lediglich einen kleinen Teil davon ihr Zuhause nennen: eine Kammer oder zwei, wenn sie Glück hatten.
    Auf ihrem Weg in die Küche ging Nessy an ihrem Zimmer vorbei (eigentlich

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