Zu viele Flueche
tun?«, fragte Tiama. »Was kann irgendeiner von euch tun?«
»Ich muss die anderen warnen«, sagte Echo. Dann war sie fort. Zumindest nahm Nessy das an.
»Warnen sollte sie sie allerdings.« Tiama kicherte wieder, obwohl ihr Gesicht ausdruckslos blieb. Sie fuhr mit den Fingern über die Buchrücken auf den Regalen. »Wertlos. Alles wertlos. Aber es gibt noch etwas, das mich fasziniert.« Ihre Stimme belebte sich etwas. »Die Tür.«
»Welche Tür, Madam?«
»Zier dich nicht. Das steht dir nicht. Margle mag dich für einfältig gehalten haben, aber ich weiß es besser.«
»Ja, Madam.«
»Was ist hinter dieser Tür?«
»Ich weiß es nicht, Madam.«
»Und warst du nie neugierig?«, wollte Tiama wissen. »Nein, ich glaube nicht. Du bist wohl nicht gerade von der neugierigen Sorte. All die Wunder dieses Schlosses um dich herum, und du fegst lieber die Flure. Aber wir haben alle unseren Platz, und das ist eben deiner. Meiner ist, nach Wissen zu streben, die verbotenen Geheimnisse zu entdecken, ohne deren Kenntnis du leben kannst. Ich muss sie kennen, Nessy. Ich muss einfach. Was sich auch immer auf der anderen Seite befindet, es ruft mich. Und eine Tür, die niemals geöffnet wird, ist sinnlos.«
Und alles wendete sich zum Schlechteren. Es war eine Sache, das Schloss zu zerstören, aber Die Tür zu öffnen bedeutete, entsetzliches Unglück einzuladen. Vielleicht, so sinnierte Nessy, bedeutete es sogar das Ende der Welt. Dies wusste sie zwar nicht sicher, aber dass Margle Die Tür gefürchtet hatte und Tiama - der Tod in Person - eine Verbindung spürte, sagte durchaus etwas über ihre unermesslichen Gefahren aus.
»Komm mit, Nessy. Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.«
»Ja, Madam.«
Tiama warf ihr einen harten Blick zu. Wieder kämpfte Nessy mit einem Anflug von Trotz - doch sie war ja nur ein Kobold - und neigte den Kopf.
»Ja, meine Herrin.«
Nessy, die im Putzen, Kochen und der Pflege von Monstern zwar ganz hervorragend war, dafür aber kläglich unerfahren im Besiegen von schwarzen Magierinnen, fiel einfach nichts ein, was sie noch hätte tun können. Und all die gefallenen Helden und Bösewichter im Schloss konnten es genauso wenig mit Tiama aufnehmen. Es gab einfach keine Alternative. Keine Wahl. Und keine Hoffnung. Nicht für sie. Nicht für das Schloss. Und ziemlich wahrscheinlich auch nicht für die Welt.
ACHTZEHN
Die Nachricht, dass Tiama das Schloss für sich beansprucht hatte, verbreitete sich schnell, und wie in jeder Gemeinschaft, die sich mit einer solchen Bedrohung konfrontiert sah, schossen überall Versammlungen aus dem Boden, in denen besprochen wurde, was zu tun war. In Dutzenden von spontanen Treffen wurde lebhaft diskutiert, wurden Ängste mitgeteilt und Schlachtpläne debattiert. Die Debatten bestanden in wenig mehr als einem gegenseitigen Anbrüllen. Die Versammlungen produzierten kaum mehr als stille Furcht und einen gar nicht so stillen Schrecken. Böse Vorahnungen füllten das Schloss von der Spitze des höchsten Turms bis in die Tiefen seiner schwärzesten Katakomben. Und sogar bis hin in die schattige Ecke von Nessys Zimmer. Sir Thedeus hatte sich auf ihrer Pritsche niedergelassen und kämpfte darum, Ordnung in das Chaos von Dutzenden brüllender Stimmen zu bekommen.
»Wir sind verloren!«, rief eine Wolke.
»Verloren«, stimmte eine Spinne an der Wand zu.
»Oh, es ist schrecklich!«, heulte eine Ratte. »Ich habe euch doch gesagt, dass das passieren werde!«
»Beruhigt euch, Leute!«, versuchte Sir Thedeus sie zu übertönen.
Eine Flickenpuppe mit blauen Haaren aus Garn schnappte nach Luft und fiel in Ohnmacht.
»Ist alles in Ordnung mit ihr?«, fragte der Krötenprinz.
»Wen interessiert das? Wir werden sowieso alle in Nacktschnecken verwandelt!«, gab die Ratte zurück.
Nichtsdestoweniger hüpfte der Kröterich an ihre Seite. »Geht es dir gut?«
Die Puppe wischte sich die Knopfaugen. »Es ist nur alles viel zu viel für mich. Ich bin schließlich nicht dafür gemacht, ein Leben wie dieses zu führen.«
»Ich stelle fest, Ihr seid ohne Zweifel eine Dame von feiner Herkunft«, stimmte der Kröterich zu. Und dann rülpste er so laut, dass die ganze Versammlung zusammenzuckte. Alle Diskussionen verstummten.
Der Krötenprinz verzog das Gesicht. »Entschuldigt bitte. Mein Magen macht mir in letzter Zeit Probleme.«
»Du wirst schon sehen, wie es deinem Magen geht, wenn du erst einmal eine Nacktschnecke bist!«, kreischte die Ratte.
Wieder erhob sich Geschrei
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