Zu viele Morde
waren verstummt und die Kinder und Jugendlichen saßen sittsam im Gras, als könnte sie kein Wässerchen trüben.
Es waren nicht Carmines Worte, die die Honoratioren abtauchen ließen, sondern der Anblick dreier Polizisten, die mitgezogenen Waffen in Richtung der Buche rannten, Carmine vorneweg. Die Kinder und Jugendlichen stoben auseinander.
Danny Marciano hielt sich plötzlich den linken Arm und sank zu Boden, während Carmine und Silvestri zu feuern begannen. Der Heckenschütze gab noch einen Schuss ab, dann schwangen die Äste hin und her, und ein schlaffer Körper stürzte zu Boden.
Sirenen heulten, Blaulicht blitzte auf der South Green Street auf. Jemand mit einem Funkgerät musste einen Notruf abgesetzt haben.
»Der Kerl ist tot«, sagte Carmine, während er sich über die Leiche beugte. »Schade.«
»Die Kinder«, sagte Silvestri schwer atmend. »Wir konnten kein Risiko eingehen.«
»Mein Gott, was für eine Dreistigkeit!«, sagte Carmine und blickte aus der Hocke zu Silvestri hoch. »Was ist mit Danny? Wir müssen alles absperren, John.«
Carmine kniete sich hin und betrachtete den Toten. Leider ein absolut Fremder, Anfang vierzig, durchtrainiert, in einem braunen Trainingsanzug, im Gesicht Streifen brauner Theaterschminke, so dass er in der Buche fast unsichtbar gewesen war.
Silvestri kehrte zurück. »Mit Danny ist alles in Ordnung – angeschossen, aber die Kugel hat ihn nicht ernsthaft verletzt. Wer ist dieses Arschloch?«
»Keiner, den wir kennen.«
»Auf wen hatte er es abgesehen?«
»Ich vermute, eher auf den Dekan als auf den Bürgermeister, aber letztendlich auf so viele auf dem Podium, wie er erwischen konnte.« Carmine hob das Gewehr auf, das mit einer Fangleine an dem Schützen befestigt war. »Eine Remington.308,fünfschüssiges Magazin. Neue Waffe, habe ich noch nie gesehen.«
»Dieses Jahr neu bei der Marine.« Silvestri war auf dem Stand, was solche Sachen betraf. »Wie kann jemand es wagen, so etwas in meiner Stadt zu tun? In
meiner
Stadt! Unsere Kinder waren hier – unsere
Kinder
! Irgendjemand scheißt auf uns.«
»Jemanden, den wir aufhalten müssen«, sagte Carmine.
Und es war ein solch wundervoller Tag, dachte Carmine, als er zurück in die Cedar Street und zum Country Services Building ging, wo er als Erstes seine Waffe beim diensthabenden Sergeant abgeben musste. Gut, dass es keine längere Schießerei geworden war, denn er trug keine Ersatzpatronen in seiner Ausgehuniform bei sich.
»Der Commissioner wird seine 38er abgeben, sobald er da ist«, sagte er zu Sergeant Tasco. »Wir wissen nicht, wessen Kugel den Heckenschützen erwischt hat, also werden beide Waffen in der Ballistik getestet werden müssen.«
»Natürlich, Carmine.« Tasco wirkte verblüfft. »Nach all den Jahren hat der Commissioner schließlich doch seine 38er benutzt.«
Carmine ging zu Fuß nach oben, wo Delia in seinem Büro bereits die Stühle für eine Besprechung aufgestellt hatte. Sie wirkte gefasst.
Abe und Corey kamen gemeinsam mit dem Commissioner herein. Carmines Team war stärker durch den Wind als der Commissioner.
Alle setzten sich, aber niemand mochte anfangen.
Dann ergriff Silvestri das Wort. »War das ein Terroranschlag?«
»Odysseus hätte gern, dass wir das denken, Sir«, antwortete Carmine.
»Haben wir irgendwelche Fortschritte gemacht? Wissen wir vielleicht sogar, wer er ist?«
»Wer es ist, steht immer noch in den Sternen«, sagte Carmine ernst. »Ich habe eine vage Vorstellung, die aber nicht konkret genug ist. Allerdings glaube ich, dass wir einer Lösung nähergekommen sind. Warum? Weil die Indizien immer umfangreicher werden. Wie geht’s übrigens Danny?«
»Er darf das Krankenhaus in drei bis vier Tagen verlassen. Die arme Netty ist ein Nervenbündel.«
Abe und Corey tauschten Blicke aus, die Carmine nicht verborgen blieben; man konnte förmlich hören, was sie nicht sagten: dass Dannys angeschossener Arm Bart Bartolomeo das Leben retten würde. Simonetta hatte jetzt wichtigere Dinge im Kopf, als über Bart und ein Wohltätigkeitsbankett zu reden.
»Ich werde den Dekan einweihen«, sagte der Commissioner in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Die Chubb ist mir wichtiger als Cornucopia.«
»Ja, Sir, das wird niemand bestreiten, genauso wenig, wie Ihre Entscheidung, ihn einzuweihen«, sagte Carmine geduldig. »Unter anderem fanden zwei der Morde auf dem Universitätsgelände statt. Auch die Chubb ist angegriffen worden. Odysseus ist in Bedrängnis
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