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Zu viele Morde

Zu viele Morde

Titel: Zu viele Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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war nackt, und ihm fehlte der Hodensack. Von seinem Hals bis kurz vor die Genitalien verlief in der Mitte ein Schnitt, sorgfältig zugenäht. Verwesung war kaum eingetreten, weil das Fach unter der Leiche mit hygroskopischen Kristallen gefüllt war, vermutete Patrick. Jemand, wahrscheinlich Sterling, reaktivierte sie eimerweise, wodurch ein Muster aus hellen und rosafarbenen Flecken entstanden war.
    »Er erhitzt sie im Ofen, um die Feuchtigkeit verdampfen zu lassen, die sie aufgesogen haben«, erklärte Patrick, »deswegen die Farbveränderung. Es muss Sterling eine ziemliche Summe gekostet haben, um diese Mengen zu erwerben. Er hat Schalen mit Bicarbonat drum herum gestellt, um den Geruch zu tilgen, aber ich bezweifle, dass es so schlimm riecht wie im Labor, wenn Studienanfänger sezieren.« Er zeigte auf die Schnittwunde. »Ich muss ihn auf meinem Tisch liegen haben, um es mit Genauigkeit sagen zu können, aber ich schätze, Sterling hat die Innereien entfernt – Verdauungstrakt, Leber, Lunge, Nieren, Blase. Er hat das Herz wahrscheinlich an seinem Platz gelassen. Das hier ist eine Mumie. Mit dem doppelten Boden ist die Feuchtigkeit da drinnen quasi fast Null. Ich werde es mit einem Feuchtigkeitsmesser feststellen.«
    Trotz der gruseligen Art des Verbrechens strahlte Abe, als Carmine in den Obduktionssaal kam. Es war sein Talent, verborgene Fächer zu finden, das diesen Mord ans Tageslicht gebracht hatte.
    »In der Kiste lag ein Portemonnaie«, berichtete Abe. »Der Name des Opfers lautet Mark Schmidt, seinem Führerschein zufolge, der vor zwei Jahren, an seinem achtzehnten Geburtstag in Wisconsin ausgestellt worden ist. Jegliches Geld, was er vielleicht besessen hat, ist fort, aber wir haben seine Master-Charge-Karte. Die letzte Rechnung ist von Oktober 1966 – sieben Monate her. Keine Fotos oder Briefe.«
    »Die Brust- und Bauchhöhle wurde mit Matratzenschaum aus Kunststoff gefüllt«, erklärte Patrick, »genauso wie mit Räucherstäbchen und Kräutern. Es ist der ernste Versuch einer Mumifizierung, ohne das Natron, das Herodotus beschreibt. Sterling hat die Ägypter auf den neusten Stand gebracht – bessere Werkzeuge, bessere Methoden. Wie man sehen kann, sieht Mark sehr gut aus. Deswegen wird Sterling keinen Versuch unternommen haben, das Gehirn zu entfernen – zu großes Risiko, alles zu ruinieren. Der junge Mann war in der Blüte seiner Jahre, als er erstickt wurde, wahrscheinlich mit einer Plastiktüte, während er aufgrund von verabreichten Medikamenten tief schlief. Ich kann keinen Zeitrahmen für den Analsex festlegen, also kann ich euch nicht sagen, ob er homosexuelle Neigungen hatte. Auf alle Fälle hatte er während des zurückliegenden Jahres viel Analverkehr. Die Schlinge, mit der der Enddarm abgebunden wurde – der Dickdarm wurde abgetrennt –, liegt etwa zehn Zentimeter vom Anus entfernt, was nahelegt, dass Sterling Nekrophilie betrieben hat.«
    Abes gesamte Freude schwand augenblicklich; entsetzt starrte er Patrick an. »Nein!«, flüsterte er.
    »Definitiv ja, lieber Abe«, sagte Patrick freundlich.
    »Irgendeine Vorstellung, wann er gestorben ist?«, fragte Abe.
    »Ich denke, die Quittung verrät dir mehr, als eine Obduktion es könnte. Sagen wir also, vor sieben Monaten.« Patrick sah Carmine an. »Wo ist Mr. Lancelot Sterling?«
    »Unten, in einer Arrestzelle.«
    Aus der Zelle wurde Sterling in ein Verhörzimmer gebracht. Abe führte das Verhör durch, während Carmine auf der anderen Seite durch das verspiegelte Fenster hindurch zusah.
    Der Mann wirkt so harmlos, dachte Carmine. Einfach wie einer von Millionen Männern. Sie leben ihr Leben ohne besondere Vorkommnisse und sehnen sich danach, die Füße hochzulegen und mit einer Dose Bier Basketball zu gucken.
    Sterling war größer als der Durchschnitt, hatte braune Haare und gleichmäßige Gesichtszüge, wodurch er hätte gutaussehend sein sollen, was er aber nicht war. Es lag an seinem Gesichtsausdruck – überheblich, selbstgefällig und humorlos. Er würde nie Schmetterlingen die Flügel ausreißen, dachte Carmine, weil er ihre Existenz gar nicht bemerkte. In was für einer Welt er auch immer lebte, ihr fehlte die Farbe, das Leben, die Freude und die Trauer. Sie bestand lediglich aus einem grauenvollen Drang. In Wahrheit ist er ein Monster.
    »Glaubst du, er hat noch andere umgebracht?«, wollte Abe später wissen.
    »Du weißt mehr über den Fall als ich. Was meinst du?«, erwiderte Carmine.
    »Nein«, sagte Abe. »Er hat dafür

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