Zu viele Morde
kennenzulernen.«
»Weswegen?«
»Weil sie tapfer ist. Myron hat es mir erzählt. Das ist kein Charakterzug, den man normalerweise mit Frauen in Verbindung bringt.«
»Blödsinn«, blaffte Carmine. »Frauen sind unglaublich tapfer, jeden Tag ihres Lebens. Frauen sind tapfer, weil sie Babys zur Welt bringen und Haushalt und Familie zusammenhalten – und das kann verdammt schwer sein.«
»Sie sind ein Romantiker«, sagte Erica Davenport überrascht, aber ohne Empathie.
»Nein, ich bin ein Realist. Guten Abend, Dr. Davenport.«
»Du bist auch so ein Romantiker«, sagte Desdemona und gab ihm seinen Bourbon mit Soda.
Er hatte es tatsächlich geschafft, so früh zu Hause zu sein, dass er einem hellwachen Julian begegnete. Die Augen des Jungen waren hellblau, und er hatte einen dunklen Lockenkopf, der jedem Mädchen zur Ehre gereicht hätte. Aber er hatte zu viel von Carmines Entschlossenheit und Hartnäckigkeit, als dass man ihn für ein Mädchen halten könnte. Seine Entstehung war immer wieder wie ein Wunder für Carmine, der sich nie hatte vorstellen können, einen Sohn zu zeugen. Vater und Sohn liebkosten sich so lange, bis Desdemona den Kleinen nahm und ins Bettchen steckte.
»Er wehrt sich nie«, sagte Carmine, als sie wieder zurückkam und sich setzte, um ihren Gin Tonic zu trinken. »Ich erwarte immer, dass er anfängt zu schreien. Wir haben richtig Spaß und dann – wumm. Kommt Mummy und beendet das Ganze.«
»Er ist schlau genug, zu wissen, dass er das Zubettgehen schon eine ganze Stunde hinausgezögert hat«, sagte sie lächelnd und hob ihr Glas zum Toast.
»Wo ist Sophia?«
»Zum Abendessen im Cleveland mit Myron und seiner Erica.«
»Kein Witz?«
»Kein Witz. Myron hat sie zum Mittagessen ausgeführt und ihr den Peridot-Schmuck geschenkt, obwohl er nicht Myron wäre, wenn er sich an die Vorgaben gehalten hätte. Sie hat auch noch ein sehr hübsches Set Schmuck bekommen.«
»Ich vermute, der Bruch ist geheilt?«
»Oh, ja. Dann hat dieses kleine Luder ihn so umschwärmt, bis er nicht anders konnte, als einverstanden zu sein, dass sie mit ihm und Erica zu Abend isst. Er hat nachgegeben, denn wenn Sophia mit der neuen Frau nicht auskommt, dann passiert das besser im kleinen Kreis als vor einer Million Leute auf dieser verdammten Feier, zu der Myron morgen einlädt. Ich habe in unserem Namen zugesagt.« Sie warf einen Blick auf die Uhr. »Ich vermute, sie wäre schon lange zu Hause, wenn es nicht gut liefe.«
»Erica Davenport ist ein Rätsel, Desdemona.«
»Und eine Mörderin?«
»Das glaube ich nicht, obwohl ihr Skeps durch seinen Tod zu großer Macht verholfen hat. Seinem Testament nach ist sie der Oberboss.«
»Meine Güte! Was für ein Sieg für die Frauen«, sagte Desdemona und blickte Carmine voller Liebe an.
»Was gibt es zum Abendessen?«, fragte er und hoffte auf etwas Italienisches.
»Spaghetti mit Fleischbällchen à la Emilia Delmonico.«
Was für ein Abend! Erst hatte er mit einem wachen undmunteren Julian knuddeln können, sein Essenswunsch ging in Erfüllung – und später würden er und Desdemona vielleicht noch ein Brüderchen oder Schwesterchen für ihren Sohn zeugen.
Er leerte sein Glas. »Dann lass uns essen«, sagte er. »Morgen Abend müssen wir all die Dinge essen, die uns Verdauungsprobleme bereiten werden – Hummer, Krabben, Kaviar. Myron hat einen Chefkoch einfliegen lassen.«
Carmine mochte sich vielleicht nicht auf Myrons Party gefreut haben, aber alle anderen hatten es. Nach Ericas Beförderung war der Dresscode von Jackett und Krawatte auf Abendgarderobe geändert worden, wobei niemand wusste, ob das Myrons oder Ericas Laune entsprungen war.
Sehr zur Erleichterung ihres Vaters entschied Sophia, nicht mitzugehen. Sie gab keinen Grund an, aber Desdemona vermutete, dass das Mädchen von Myrons neuer Freundin schwer eingeschüchtert worden war. Nach dem Essen war sie enthusiastisch nach Haus gekommen, voller »Erica hier« und »Erica dort«, aber es klang hohl. So viel adelige Schönheit, Perfektion, Intelligenz und Unnahbarkeit waren einfach zu viel, wenn sie in einer Person zusammentrafen. Sophia fühlte sich schachmatt gesetzt.
Da Desdemona bei ihrer Größe kaum Kleider von der Stange kaufen konnte, blieb Carmine das Was-soll-ich-anziehen?-Dilemma erspart. Obwohl er nicht groß war, hatte seine Frau einen Kleiderschrank voller Sachen für jede Gelegenheit. Im Geheimen fand er, dass sie atemberaubend aussah in dem blauen Kleid, das sie selbst nach
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