Zu viele Morde
den Hals gesteckt habe.«
Es war klar, warum der arme kleine Kerl daran erstickt ist, als er versucht hat, einen Radiergummi zu essen, dachte Carmine, aber wie lange war sie schon wahnsinnig? Was hatte es zum Vorschein gebracht? Peter Nortons Tod?
»Was haben Sie mit dem Strychnin gemacht, Barbara?«
»Ich habe die Flasche in den Fluss geworfen.«
»Haben Sie zuerst den Deckel abgeschraubt?«
Sie schaute ihn beleidigt an. »Natürlich! Ich bin doch nicht dumm.«
»Warum haben Sie ausgerechnet den dritten April gewählt, um Strychnin in Peters Orangensaft zu schütten?«
»Oh, das wissen Sie doch!«, sagte sie, und ihre Augen weiteten sich.
»Ich hab’s vergessen. Sagen Sie es mir noch mal.«
»Weil es nur am dritten April funktionierte! An jedem anderen Tag hätte der Zaubertrank seine Wirkung verloren. Das war ihm ganz wichtig.«
»Wem denn?«
»Sie wissen schon, wer.«
»Ich habe so ein schlechtes Gedächtnis. Ich habe seinen Namen schon wieder vergessen.«
»Reuben.«
»Seinen Nachnamen habe ich auch vergessen, Barbara.«
»Wie kann man etwas vergessen, was er gar nicht hat?«
»Wo haben Sie Reuben kennengelernt?«
»Auf der Bowlingbahn!«
»Und welchen Zauber hat der Trank am dritten April bewirkt?«
Es fing an, sie zu langweilen, oder sie wurde müde. Ihre Augenlider sanken herab, doch dann strengte sie sich an und öffnete die Augen wieder. »Der Zauber lebt nur einen Tag, hat Reuben mir gesagt.« Sie begann auf dem Stuhl herumzurutschen und wurde ganz aufgeregt. »Er hat gelogen! Er hat mir gesagt, dass Peter nur einschlafen würde. Ich habe nichts falsch verstanden. Der dritte April war der richtige Tag!«
»Ja, Barbara, Sie haben es richtig verstanden«, sagte Carmine. »Er war ein Lügner. Ruhen Sie sich etwas aus und denken Sie an schöne Dinge.«
Die vier Männer ertrugen die Stille und versuchten, Barbara nicht anzusehen.
Dann sprach sie wieder. »Wo ist Tommy?«
Nicht Marlene, das Mädchen. Nur Tommy.
»Er schläft«, sagte Carmine.
»Ich bezweifle, dass man sie je vor Gericht stellt«, sagte Carmine später zu Commissioner Silvestri, »und der arme kleine Junge hat den Fall gelöst. Können Sie sich das vorstellen, John? Eine Hungerdiät von einem Tag auf den anderen, für einen kleinen fetten Jungen, der pausenlos gegessen hat, seit eranfing zu laufen. Das Mädchen ist drei Jahre älter und gerissen. Sie hat Geld aus Mommys Portemonnaie geklaut, um sich etwas zu essen zu kaufen, aber sie konnte nicht genug stehlen, um ihren eigenen Appetit zu stillen, geschweige denn den ihres kleinen Bruders.«
Silvestri schüttelte den Kopf. »Geht es dem Mädchen gut? Gibt es irgendwelche Verwandten, die sich ihrer annehmen?«
»Nortons Eltern nehmen sie zu sich – sie leben in Cleveland. Sie ist die einzige Erbin seines Vermögens, das vermutlich in einen Treuhandfond wandern wird, bis sie alt genug ist.« Carmine lächelte.
»Eine Radiergummi-Erdbeere!«, rief Silvestri aus. »Sah sie so echt aus?«
»Nur für einen wahnsinnig hungrigen kleinen Jungen«, sagte Carmine.
»Ich vermute, das bedeutet dann wohl, wenn man keine fetten Kinder haben will, dass man sie von Anfang an auf die richtige Schiene setzen muss«, meinte Silvestri. »Ich hoffe, Sie werden sich darum kümmern, dass für die Seele des kleinen Tommys ein paar Messen gelesen werden.«
»Ich vermute, ich habe gar keine Wahl«, sagte Desdemona am Abend, als sie ihren Aperitif tranken. »Ich habe in eine katholische Familie eingeheiratet, also werden meine Kinder als Katholiken erzogen.«
Carmine starrte sie überrascht an. »Ich dachte nicht, dass dir das etwas ausmacht, Desdemona. Das hast du nie erwähnt.«
»Ich vermute deswegen, weil ich bis zu Julians Ankunft nicht gedacht hatte, dass dir das wichtig wäre. Du bist überhaupt nicht religiös.«
»Stimmt. Das kommt von meiner Arbeit. Aber ich möchte eine katholische Erziehung für meine Kinder – meine alteSchule für die Jungs, St. Marys für die Mädchen«, sagte Carmine und bereitete sich auf eine Auseinandersetzung vor. »Sie sollten sich mit einem christlichen Gott auseinandersetzen, und was ist besser als das Original?«
»Wenn wir in England wären«, sagte seine Frau nachdenklich, »würde ich mich für die Church of England entscheiden, aber hier gibt es nichts Vergleichbares. Mir gefällt das engmaschige Familiennetzwerk in East Holloman, und ich möchte nicht, dass unsere Kinder Außenseiter werden, nur weil ihre Eltern sich nicht einigen
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