Zu zweit tut das Herz nur halb so weh
ihn mir in die Hand. »Bitte lies das, damit du mit
eigenen Augen sehen kannst, wie er war.«
Miss Isabelle setzte sich auf eine Steinbank in der Nähe. Ich las
den Brief im Gehen, weil ich zu nervös zum Sitzen war.
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Isa, meine einzige Liebe,
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wenn Du diesen Brief bekommst,
bedeutet das, dass ich mein Versprechen nicht halten und nicht zu Dir und â
falls das Baby in Deinem Bauch das unsere ist â zu unserem Kind zurückkehren
kann. Unter den gegebenen Umständen hoffe ich, dass es von Max ist. Der
Gedanke, mein Kind müsste in einer Welt aufwachsen, die nur seine Hautfarbe und
die seiner Mutter sieht, quält mich.
Ich habe mir nie etwas anderes gewünscht,
als mit Dir und unserem Kind zusammen zu sein. Jetzt weiÃt Du, dass das
Schicksal es nicht so wollte. Du musst Dich mit dem Gedanken zufriedengeben,
dass ich jeden Tag auf Euch herunterblicke und den Herrn bitte, für Eure
Sicherheit und Euer Wohlbefinden zu sorgen. Isa, ich kenne keinen zweiten
Menschen wie Dich.
Ich habe Nell, die Dich nach wie vor wie
eine Schwester liebt, gebeten, Dir diesen Brief zu geben, falls mir in Europa
etwas zustoÃen sollte. Nell hat mir versprochen, dass sie und Momma Dich mit
offenen Armen aufnehmen, Dich und das Kind, egal, was passiert. Sie lieben Dich
wie ich â wenn das möglich ist.
Isa, ich muss mich ein letztes Mal von Dir
verabschieden.
Vergiss niemals, dass ich Dich geliebt habe.
Für mich hat es immer nur Dich gegeben.
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Robert
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Ich schluckte. Warum hatte ich, obwohl ich vor seinem Grabstein
stand, auf ein glückliches Ende gehofft?
Sprachlos sank ich neben Miss Isabelle auf die Bank.
»Robert hat mir sein Wort gegeben, aber uns war klar, dass er
möglicherweise nicht zurückkommen würde. Auch für Ãrzte war es an der Front
gefährlich. Die Amerikaner nutzten erobertes Territorium für ein
Militärlazarett. Ein Kollege übersah eine Landmine, Robert schützte ihn mit
seinem Körper, als sie explodierte. Mein Robert opferte sein Leben für ein
anderes.«
Robert war im Krieg gefallen. Nicht als zweitklassiger Soldat, der
kochte, putzte oder Nachschub durchs Land transportierte. Er hatte getan, was
er immer schon hatte tun wollen: Leben retten.
Und ich machte mir Gedanken wegen meinen Problemen. Vielleicht hätte
ich meinem dummen Sohn am liebsten den Hals umgedreht. Vielleicht hatte ich
ScheiÃangst davor, einen Mann zu lieben, weil er sich möglicherweise wieder als
Versager entpuppte. Vielleicht hatte ich im Leben auch schon einiges
mitgemacht. Vielleicht würde ich GroÃmutter werden, bevor ich es wollte.
Aber immerhin warteten alle Menschen, die mir wichtig waren, zu
Hause auf mich. Stevie junior behauptete zwar, Baileys Vater würde ihm das Fell
über die Ohren ziehen, wenn er von der Schwangerschaft erfuhr, doch das war
nichts im Vergleich zu dem, was Miss Isabelles Brüder Robert angetan hatten.
Die hässliche Narbe an seiner Seite ⦠Mein Gott.
Und wie hatte Miss Isabelle es geschafft, die ganzen Verluste zu
überstehen?
Ich gab ihr den Brief zurück. Sie steckte ihn in das
ReiÃverschlussfach ihrer Handtasche, das mir bis dahin nicht aufgefallen war.
Kein Wunder, dass sie solche Angst hatte, die Tasche könnte ihr gestohlen
werden. Und ich hatte geglaubt, sie würde mir nicht trauen!
»Dann war das Baby am Ende also doch von Max? Und Sie und er ⦠haben
es irgendwie hingekriegt?«
»Dane war eindeutig das Kind von Max, das konnte man auf den ersten
Blick sehen. Du kennst ja die Fotos von meinem Jungen.«
Ich nickte.
»Max erklärte sich meine plötzliche Niedergeschlagenheit damit, dass
ich noch nicht bereit für ein Baby war. Damit hatte er nicht ganz unrecht, aber
ich hatte das Gefühl, ohne Robert zugrunde zu gehen. Ich blieb im Haus, im Bett
oder mit dem Kopf über der Toilettenschüssel, weil ich die gesamte
Schwangerschaft praktisch alles, was ich aÃ, erbrach. Es war ein Wunder, dass
ich genug zunahm, um Dane am Leben zu erhalten. Am Ende kam er auf die Welt und
forderte lautstark meine Liebe. Er kämpfte um die Aufmerksamkeit seiner Mutter,
und ich war gezwungen, sie ihm zu schenken. Ich musste ihn füttern und wickeln,
damit mir nicht das Trommelfell platzte von seinem Gebrüll. Die Nachbarn hatten
keine Ahnung, dass ich schwanger gewesen war, bis ich Dane im Kinderwagen vor
mir herschob. Ab dem Zeitpunkt war ich die Verrückte von
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