Zu zweit tut das Herz nur halb so weh
war.
Robert und ich standen auf und zogen uns an.
Als er mich fragte, ob er wiederkommen könne, sobald er den Ort
gefunden habe, an dem ich auf ihn warten würde, war die Antwort klar. Ich sah
ihm von der Veranda aus nach, wie ich es am Morgen bei meinem Mann getan hatte.
SECHSUNDDREISSIG
DORRIE, GEGENWART
Teague die Nachricht zu hinterlassen hatte meine Nerven
etwas beruhigt, und die überraschende Wendung in Miss Isabelles Geschichte gab
mir ein wenig Hoffnung für meine eigenen Probleme. Doch nun war es an der Zeit,
sich auf den Weg zu machen. Miss Isabelle trug ein hübsches Kleid, das ihre
immer noch exquisite Figur gut zur Geltung brachte. Neunzehn waagerecht, acht
Buchstaben: exquisit .
Wir hatten es nicht weit bis zum Bestattungsinstitut und waren früh
dran. Miss Isabelle wollte noch nach einem Blumenladen Ausschau halten.
»Schicken die Leute die Blumen denn nicht dem Bestatter?«, fragte
ich.
»Dorrie, bitte tu mir den Gefallen.«
Wir hatten Glück. Gleich hinter der Brücke nach Covington entdeckten
wir einen Blumenladen.
»Wollen Sie reingehen?«
»Nein. Besorg mir was Schlichtes, Elegantes, nichts Verspieltes. Ein
Dutzend.«
»Rosen?«
»Ja. Rote Rosen, wennâs die gibt.«
Als ich zurückkehrte, legte ich den Strauà vorsichtig auf den
Rücksitz. Die Verkäuferin hatte mir versichert, dass die Blumen ganz frisch
seien, und tatsächlich waren sie wunderschön.
Wir fuhren mitten durch Covington mit seinen alten Häusern, manche
hergerichtet und mit offenen Läden, andere leer und heruntergekommen mit
vernagelten Fenstern. In einer Wohngegend wechselten sich Tante-Emma-Läden,
kleine Lokale und Supermärkte mit Baulücken ab. Allmählich änderte sich die Hautfarbe
der Leute auf den StraÃen. Miss Isabelle erklärte, wir wären in Eastside, dem
traditionell afroamerikanischen Teil von Covington. An einer Ampel zeigte sie
mir das Bestattungsinstitut.
»Da ist es«, sagte Miss Isabelle. »Nur noch ein kurzer Umweg, bevor
wir reingehen. Wir haben genug Zeit.«
Ich fuhr weiter, ohne Fragen zu stellen, zum schmiedeeisernen Tor
vom Linden-Grove-Friedhof. Miss Isabelle holte einen Zettel aus der Handtasche,
warf einen Blick darauf und gab ihn mir. Eine Karte.
»Kannst du das finden?« Sie deutete auf ein mit Bleistift
umkringeltes Grab. Während ich versuchte, mich zu orientieren, bemerkte ich,
dass Miss Isabelle immer angespannter wurde. Nur mit Mühe schien sie Tränen
zurückhalten zu können.
Meine Verwirrung darüber wuchs, als ich den Buick zu dem Teil des
Friedhofs lenkte, wo sich das Grab befand. Wollte sie vor der Beerdigung schon
mal vorbeischauen?
Ich stellte den Wagen so nah wie möglich bei dem Grab ab und reichte
Miss Isabelle den Arm. Sie trug die Rosen selbst, obwohl ich ihr angeboten
hatte, sie zu nehmen. Wir gingen auf einen groÃen Grabstein zu, und kurz davor
lieà sie meinen Arm los und trippelte allein weiter. Vor dem Grab blieb sie
stehen, legte, eine Hand auf dem Granit, die Rosen ab, richtete sich wieder auf
und kam zu mir zurück. Sie nickte, senkte den Kopf und atmete mit geschlossenen
Augen langsam ein und aus.
Auf dem Stein stand in verwitterten, von Flechten überwucherten
Buchstaben: Robert J. Prewitt, geliebter Sohn und Bruder .
SIEBENUNDDREISSIG
ISABELLE, 1943
Ich lieà die Hände über meinen Bauch gleiten, dann über
meine empfindlichen Brüste. Dieses Gefühl kannte ich. Ich rechnete nach.
Eigentlich sollte sich eine Frau freuen, wenn sie merkte, dass sie schwanger
war.
Einst war es so gewesen. Jetzt war ich entsetzt.
Das erste Mal hatte sich meine Freude in Kummer verwandelt, weil ich
sie nicht mit Robert teilen konnte, und in Wut auf meine Familie, weil sie mich
vom Vater meines ungeborenen Kindes getrennt hatte und mir auch noch die Kleine
nahm.
Diesmal würde mir niemand das Baby wegnehmen. Ich wusste nicht, wer
der Vater war. Gern hätte ich an Robert geglaubt, mit dem ich ohne Verhütung
geschlafen hatte. Seitdem hatte ich Max mit Ausreden abgespeist, wenn er im
Bett meinen nackten Fuà berührte, unser geheimes Signal. Vor Robert hatte es
jedoch eine Nacht mit Max gegeben, in der das Kondom geplatzt war.
Obwohl ich keine Schwangerschaft wollte, wusste ich, dass der
Verlust eines weiteren Kindes mich umbringen würde. Ich würde also alles tun,
was nötig war, um das Baby gesund zur Welt zu bringen.
Aber
Weitere Kostenlose Bücher