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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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zu bersten. Der Wechsel aus dem Streifendienst zur Spurensicherung hatte seinen unterforderten Körper über die Jahre hinweg explodieren und der Kühlerfigur auf Lastwagen, dem Michelin-Männchen eben, immer ähnlicher werden lassen. Die Patschen über den Schuhen, das Häubchen auf dem Kopf, beide aus Plastik, transparent, die Handschuhe und der Mundschutz aus hellem Leinen rundeten ihn weiter und das Bild gänzlich ab.
    „Du kannst doch fließend Japanisch und Chinesisch, Eipeldauer, oder?“
    „Ja, fließend hören? Ein Klassiker. „Warum?“
    „Im Schaft ist eine Gravur. Fernöstlich, würde ich sagen. Ich hab noch nie etwas Derartiges gesehen. Den Messergriff, meine ich. Mit Sicherheit keine Null-acht-fünfzehn-Ware.“
    Eipeldauer. Ein schmeichelnder Vergleich. Ferri Leimböck und der große Gartenguru, auch wenn ihn Willi nicht aus bedingungsloser Liebe zu mir ersonnen hat. Anfangs. Bei Michelin war die Sache nicht minder unklar. Dennoch verband uns weit mehr als bloße Hänseleien, Spitznamen und der Job. Schon aus der Ferne hatte ich ihn an den Umrissen seines Körpers erkannt, und meine verkaterte Stimmung hatte schlagartig aufgeklart. Du bist ein akribischer Arbeiter, Michelin, dachte ich, ein Tüftler, einer, der sich gerne zu vorlauten Äußerungen, niemals aber zu voreiligen Schlüssen hinreißen lässt. Einen Besseren als dich kann ich gar nicht hier haben.
    „Irgendwelche Auffälligkeiten?“
    „Es war ein einziger Stich, er hatte keine Chance. Vermutlich wollte er hier eine kleine Pause einlegen.“
    „Wie kommst du darauf?“ Mein Kopf schwang immer noch im Dreivierteltakt und war nicht klar genug, um Michelins gewohnt analytischen Gedankengängen ohne Anleitung folgen zu können.
    „Schau, Ferri. Es gibt mehrere Möglichkeiten. Aber nicht alle kommen in Betracht. Die erste: Der Mörder war selbst ein Joggen
    „Ein Jogger, der ein Messer bei sich trägt? Wo sollte er denn die Waffe vor der Tat verstecken?“ wandte ich ein.
    „Eben“, entgegnete Michelin. „Aber wir dürfen es nicht zur Gänze ausschließen. Er könnte das Messer im Ärmel einer Trainingsjacke oder eines Leibchens gehabt haben. Aber dann hätte er unentwegt darauf achten müssen, es nicht zu verlieren. Eine Stresssituation. Ich glaube nicht, dass einer, der einen so gezielten Stich ausführt, sich das antut, verstehst du?“
    Ich war nicht in der Lage, es mit schlüssigen Argumenten zu begründen, aber mein Gefühl sagte mir, dass er Recht hatte.
    „Die zweite Möglichkeit?“
    Michelin setzte blitzartig fort. „Die zweite ist, dass er hier gewartet hat. Vermutlich da oben im Gebüsch? Er machte eine ausladende Geste in Richtung Bootshaus.
    „Du meinst, er wusste, dass Klausberger hier stehen bleiben würde?“
    „Gewiss. Wäre er vor oder auch direkt hinter Klausberger aus seinem Versteck gesprungen, um ihn anzugreifen, wäre das Opfer hochgeschreckt und hätte sich gewehrt, denkst du nicht auch?“ Ich nickte bedächtig. „Und du glaubst. . .“
    „Dafür“, fuhr Michelin unbeirrt fort, „gibt es, soweit ich es hier erkennen kann, nicht den geringsten Hinweis. Keine Abwehrverletzungen an den Händen des Toten, keine Abriebspuren im Schotter, die auf kurze, kräftige Fußbewegungen schließen lassen. Und außerdem steckt das Messer in seinem Rücken. Aber wer weiß, was sie auf der Gerichtsmedizin noch an Feinheiten entdecken?
    „Und wenn es doch ein Jogger war, der ihn im Laufen von hinten attackiert hat?“
    Michelin schüttelte entschieden den Kopf. „Dass einer aus vollem Lauf in genau dieser Position liegen bleibt, ist unwahrscheinlich genug. Aber dass er den Sturz auf die Betonbank ohne Verletzungen im Gesicht übersteht – niemals.“ Er schnaufte zusehends. „Daher meine Annahme: Er ist hier stehen geblieben, weil er es sonst auch immer tat. Vielleicht um Luft zu holen, vielleicht, um ein paar Dehnungsübungen zu machen, was weiß ich. Ich bin doch kein Jogger?
    Er hätte es nicht gesondert erwähnen müssen. Je länger ich den toten Klausberger betrachtete, desto mehr glaubte ich, eine lange geplante Tat zu erkennen. Eine Inszenierung. Die Lage des Toten, das Messer mit fernöstlichen Schriftzeichen. Dennoch hatte mich der Gedanke mit dem zweiten Jogger fest im Griff. „Sie könnten sich gekannt haben. Was ist, wenn sie gemeinsam Frühsport gemacht haben?“
    „Na, das werdet ihr wohl rauskriegen, Ferri.“
    Natürlich würden wir, das schien doch eine der leichteren Übungen zu sein. Womöglich

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