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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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eine zu leichte, dachte ich nun. Ermordet man einen Politiker, um sogleich als sein Joggingpartner entlarvt zu werden? Langsam fand ich mich wieder. „Es könnte auch jemand gewesen sein, der sich als Spaziergänger getarnt hat. Einer, der gewusst hat, wo Klausberger seine Rast einlegt und sich die Zeit gut eingeteilt hat.“
    „Klar. Aber dann hätte er riskiert, gesehen zu werden. Von anderen Joggern, oder auch von der alten Dame da hinten auf der letzten Steinbank, die mit dem Pudel?
    „Wohl kaum? Es war die Stimme meines Stellvertreters Kurz, die mit einem Mal zwischen Michelin und mir stand. Kurt Kurz. Er hatte sich bis dahin lauschend im Hintergrund gehalten. „Sie hat die Leiche entdeckt, steht unter Schock und bringt kaum ein Wort heraus. Nur soviel, dass sie niemanden gesehen hat. Aber das heißt nix.“
    Kurz sah das erwachende Erstaunen in meinem Gesicht. „Wie meinst du das?“
    „Schau dir ihre Brille an. Panzerglas. Sie hat nicht einmal das Messer in seinem Rücken bemerkt.“
    „Bitte sie trotzdem am Vormittag ins Paulustor zu kommen. Vielleicht fällt ihr bei der Niederschrift doch noch etwas ein.“
    Das leise Plätschern der Mur fing mich wieder ein. Und mit ihm ein aufgeregtes Schnattern. Ich tat ein paar Schritte an die Uferböschung, kauerte mich nieder, legte den Kopf zur Seite, das Kinn auf die rechte Schulter gepresst, als wäre sie mein Gefieder. Vielleicht seid ihr meine einzigen Zeugen, dachte ich. „Quaak, quaak quak quaaaak?“ Entenmutter und Entenjunge antworteten nicht. Ihr Schnabelspiel war mit einem Mal versiegt, ihre plötzliche Teilnahmslosigkeit schien geradezu aufgesetzt. Als wollten sie mich verhöhnen. Leimböck ist kein übler Name. Doch warum heiße ich nicht Dr. Doolittle? Nur jetzt und nur hier? Als ich wieder hochkam, lag Kurz’ spöttischer
    Blick auf mir. Er rang sichtlich nach einem Kommentar, und ich nahm ihm die Last der Anstrengung ab. „Ja, ich spreche mit Paradeisern. Und mit Enten. Man darf nichts unversucht lassen, hat dir das noch keiner gesagt?“
    Ich kramte in der Sakkotasche nach einem der drei Reiseparadeiser, als es mir plötzlich in den Sinn kam. War es nicht auch denkbar, dass die Messerattacke gar nicht gezielt gegen Klausberger gerichtet war? Frank Klausberger als Zufallsopfer, gestorben durch die Hand eines irren Messerstechers? Das hieß allerdings auch, dass wir jederzeit mit weiteren Opfern zu rechnen hatten. Ein Wink des Schicksals, der ausnahmsweise einmal nicht den Falschen abberufen hat, dachte ich. Spinnst du, Ferri, schoss es mir im nächsten Augenblick ein. Lass deine Abneigungen aus dem Spiel. Du ermittelst im Mordfall am Menschen Klausberger, egal, wie sehr oder wenig das Verbrechen politisch oder persönlich oder wie auch immer motiviert war. Ein Spaziergänger, der einen Jogger niedersticht einfach aus Jux und Tollerei und vielleicht, weil gerade Samstagfrüh ist? Das ist doch absurd, Ferri, und daher wirst du es auch nicht zur Sprache bringen, nicht, solange nicht alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, um keinen Deut früher und auch dann nur vielleicht.
    Noch einmal beugte ich mich an Michelins Seite. „Was glaubst du, Willi, seit wann ist er tot?“
    Michelin winkte mich ganz dicht heran. „Siehst du seine Augen? Die Hornhaut. Sie hat gerade erst begonnen sich einzutrüben. Das passiert cirka eine Dreiviertelstunde post mortem. Wären die Augen zu, könnte es einen ganzen Tag dauern. Dazu kommt, dass er kaum Leichenflecke hat. Zum Beispiel am Hals. Und auch noch keine Anzeichen von Starre. Dass die Haut abgekühlt wirkt, täuscht. Das ist der frische Morgen. Ich würde sagen: eine gute Stunde.“
    Es war halb neun. An den Absperrungen, zu beiden Seiten der Promenade errichtet, hatten sich kleine Menschentrauben gebildet. Do geht a Raunen durch die Leid, und a jeda hod sei Freid Ja, Wolferl, dachte ich. Die Spechtler und Schauer. Die üblichen Verdächtigen. Die ersten, die heute Abend vor den Fernsehern kleben und morgen die Zeitungen aus den Sonntagsständern stehlen. Aber wäre ich anders, käme ich durch Zufall vorbei? Ich schrieb, erst zur einen, dann zur anderen Seite gerichtet, mit der Rechten Wellenlinien in die Luft vor die offene, mir zugewandte Handfläche der Linken. Die Kollegen an den Sperrbändern hatten verstanden und begannen, die Daten der Umstehenden aufzunehmen. Man weiß nie. Wer sich jetzt davonmachte, war erst recht suspekt.
    „Übernimm du wieder“, wandte ich mich an Kurz. „Wir treffen

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