zuadraht
man es vielleicht nennen. Ich brauche einfach Zeit für mich selbst; um nachdenken und vieles in meinem Leben ordnen zu können. Dazu kommt der Frust. Ich fühle mich wie Don Quichotte, der gegen Windmühlen kämpft. Man zeigt immer wieder Missstände auf, aber letztendlich schreibt man gegen den Wind.
Siehst du, es geht ja doch. Langsam, keine Eile. Wir haben viel Zeit. Was sagst du zu meinen Formulierungen? Könnten von dir sein. Richtig?
„Ich schreibe ja, verschone mich mit deinen Selbstbeweihräucherungen. Die Schmerzen sind höllisch, ich weiß nicht, ob ich es noch lange schaffe.“
Denk an den Zeigefinger, dann wird alles gleich viel erträglicher. Also weiter: Es stimmt, ich schaffe es mit immer neuen Enthüllungen, gelesen zu werden, aber wirklich verändert habe ich damit kaum etwas. Ich pinkle unfähige Politiker zwar ständig an, aber letztendlich scheißen sie mir auf den Kopf Jetzt reicht es mir. Ich habe mich entschlossen, einen völlig neuen Weg einzuschlagen. Bitte sucht nicht nach mir, ich befinde mich an einem Ort, an dem ihr mich nicht finden werdet. Von hier aus starte ich meine Aktionen und von hier aus werde ich dich auch ständig mit Kolumnen beliefern. Sie sind – wie du bald merken wirst – brandheiß. Und sie werden, das garantiere ich, die Verkaufszahlen unserer Zeitung gewaltig in die Höhe schnellen lassen. Wir werden uns nie mehr Wiedersehen, aber du wirst von mir regelmäßig hören. In alter Freundschaft, dein Martin. Punkt, Ende.
„Okay, ich hab‘s getan und es ist mir völlig egal, was damit geschieht, bindest du mich jetzt los? Ich spüre meine Beine nicht mehr und die Hand . . . Nimm den verdammten Daumen vom Tisch weg, ich kann ihn nicht mehr sehen.“
Geduld. Bewundere doch die Perfektion meines Planes. Bisher ist alles so verlaufen, wie es verlaufen sollte. Gewissenhafte Arbeit führt eben zum Erfolg. Und dieser steht in seiner ersten Phase unmittelbar bevor. Was du erlebt hast, war erst das Vorgeplänkel.
„Du hast jetzt alles, was du wolltest. Lass mich aufstehen, ein paar Schritte gehen und dann lass mich schlafen. Ich will nur schlafen. Bitte. Ich flehe dich an, ich knie sogar vor dir!“ Plötzlicher Gehorsam? Untertänigkeit? Nur weil Herr Hanser um einen Daumen weniger hat? Soll ich das tatsächlich glauben? Mein ursprünglicher Plan sieht vor, dich auf dem Sessel sitzen zu lassen, bis ich von meiner Mission zurückkomme. Mitleid ist darin nicht vorgesehen. Mitleid ist Schwäche, und Schwächen darf ich mir keine leisten.
„Aber dort drüben, da steht ja ein Bett.“
Später, das ist für später. Du wirst noch sehr lange mein Gast sein.
„Wie spät ist es, wie lange bin ich schon hier?“
Zeit hat für dich keine Bedeutung mehr. Lass sie einfach über dich ergehen. Deine Zeit gehört jetzt mir, und ich werde sie in deinem Sinne nutzen. Alles ist genau geplant, die Summe intensiver Recherchen, Studien und Beobachtungen. Das Beobachten war schon immer meine Stärke, bevor du mir das Leben versaut hast.
„Ich habe dein Leben nicht versaut, wie sollte ich, ich kenne dich ja überhaupt nicht. Das ist doch Wahnsinn. Wer bist du, was hab ich dir getan?“
Du wirst alles erfahren. Und wir werden uns auch ausführlich über den Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit unterhalten. Gerechtigkeit ist das, was in wenigen Stunden passieren wird. Und es wird gleich eine doppelte Gerechtigkeit sein. Ich werde versuchen, sie dir so detailgetreu wie möglich zu schildern. Das schulde ich dir. Du wirst zwar nicht dabei sein, trotzdem aber die Hauptrolle spielen. Unser gemeinsamer Freund Klausberger befindet sich zurzeit auf einer kleinen Party und trinkt wahrscheinlich gerade seine dritte Weißweinmischung. Mehr konsumiert er selbst bei den berauschendsten Feierlichkeiten nicht. Als zwar schlechter Mathematiker, aber doch kühler Rechner weiß er um die Bedeutung eines klaren Kopfes bei öffentlichen Auftritten. Die Fete gilt einem Schulkollegen, der in einem Innenstadtlokal seinen 50er feiert. Frank Klausberger wird, wie immer in solchen Fällen, gegen 23 Uhr seinen Chauffeur anrufen und sich im Dienstwagen nach Hause fahren lassen. Er wird bis 6.30 Uhr schlummern. Dann wird er seinen Trainingsanzug überstreifen und sich auf seine tägliche Jogging-Runde begeben. Fünfeinhalb Kilometer die Mur entlang. Um 7.10 Uhr legt er beim Bootshaus des Paddlerklubs eine kurze Rastpause ein und entspannt sich, wie immer, mit lockeren Stretching-Übungen. Dabei wendet er
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