Zuckerblut
Sternberg nachrief: »Moment noch, mir fällt da gerade etwas auf.«
Sternberg hatte die Liste der Patienten von Andrea Helmholz auf seinem Schreibtisch liegen und daneben die Namen und Adressen der vier verstorbenen Senioren, die Lindt und Wellmann eben aufsuchen wollten.
»Hier«, zeigte er auf die Patientenaufzählung, »Anna Kraus und Henriette von Bühl, diese zwei Namen finden sich auf beiden Listen.«
»Tatsächlich«, überzeugte sich Lindt. Er blickte auf das Datum. Gleich zu Beginn des letzten Jahres hatte Andrea Helmholz auch diese beiden Frauen zu pflegen gehabt. Um welche pflegerischen Tätigkeiten es sich in diesen Fällen handelte, war natürlich nicht aufgeführt.
Um solche Auskünfte zu bekommen, da war Lindt sich sicher, bedurfte es auf jeden Fall einer richterlichen Verfügung. »Die ärztliche Schweigepflicht gilt ja genauso für die medizinischen Assistenzberufe«, gab er seine Überlegungen weiter. »Vielleicht erfahren wir Näheres, wenn wir mal ein paar Nachbarn fragen. Über diese Frau Wieland habe ich heute Morgen ja auch alles von der anderen Hausbewohnerin erfahren.«
»Wieland?«, Sternberg stutzte, »hier, Chef, die steht auch mit auf der Liste. Da ...« Er zeigte auf den Namen, doch aus dem aufgelisteten Zeitraum ging eindeutig hervor, dass auch diese Frau nicht bis zu ihrem Tod von Schwester Andrea betreut worden war.
»Was war in der Zwischenzeit? Eine andere Pflegekraft? Vielleicht ...«
»Ich könnte noch mal beim Pflegedienst anrufen und das in Erfahrung bringen«, schlug Jan Sternberg vor.
Lindt stimmte zu: »Genau, und lass dir noch die Liste aller Patienten geben, die Andrea Helmholz in den beiden Jahren zuvor hatte. Ich wäre gar nicht überrascht, wenn wir dabei auch auf die letzten beiden Namen stoßen würden.«
Sternberg versprach, sich sofort zu melden, wenn er ein Ergebnis hatte und Lindt machte sich mit Paul Wellmann schleunigst auf, die verbleibenden vier Adressen aufzusuchen.
Während der Fahrt diskutierten die beiden die verschiedenen Möglichkeiten, wie es in diesen Fällen Zusammenhänge geben könnte.
»Es sieht doch ganz so aus, als ob unser Mordopfer den Stadtplan mit den fünf Blutpunkten an mich adressiert und im Präsidium eingeworfen hätte«, sinnierte Lindt.
»Sehr wahrscheinlich, Oskar«, gab ihm Wellmann Recht. »Ihre Fingerabdrücke waren ja auch eindeutig auf dem Plan.«
»Dann müssen wir uns natürlich fragen, Paul, was Schwester Andrea uns damit sagen wollte. Mein Name ist natürlich von der Aufklärung verschiedener Morde her in der Öffentlichkeit bekannt, also müssen wir doch davon ausgehen, dass der Fingerzeig auch in diese Richtung gehen sollte.«
»Aber ermordet wurde bisher ja nur die Schwester, sonst niemand. Bei den fünf älteren Leuten scheint es sich bis jetzt zumindest um natürliche Todesfälle gehandelt zu haben.«
»Vielleicht wusste Andrea Helmholz ja mehr und konnte es uns nur nicht mehr sagen«, fasste Lindt das Naheliegende zusammen.
Er stoppte den Wagen vor dem Wohnhaus im Stadtteil Mühlburg, wo die beiden schon am frühen Morgen gestanden waren.
»Hier hat also die Henriette von Bühl gewohnt«, stellte Wellmann fest, als sie ausstiegen.
Schnell bestätigten die Nachbarn der Verstorbenen, dass auch in diesem Fall ähnliche Umstände wie bei Charlotte Wieland zugrunde lagen. Jahrelanger insulinpflichtiger Diabetes hatte bei der Frau mit Herkunft aus einem Südpfälzer Freiherrengeschlecht zur Amputation mehrerer Zehen und auch zu einem kleineren Schlaganfall geführt. Nur dem Engagement des privaten Pflegedienstes Weinbrecht war es zu verdanken, dass der Fünfundachtzigjährigen der Umzug ins Pflegeheim erspart blieb und sie noch in ihren eigenen vier Wänden wohnen konnte. Intensive Betreuung wurde über Haushaltshilfen gewährleistet und Krankenpflegepersonal des Pflegedienstes übernahm die medizinische Versorgung. Persönliche Betreuung durch den Chef selbst, davon hatten die Nachbarn auch hier berichtet. Allerdings war nach der langjährigen Krankengeschichte niemand verwundert darüber, als die Nachbarschaftshelferin vor mehreren Monaten bei ihrem morgendlichen Dienstbeginn, Henriette von Bühl friedlich entschlafen in ihrem Bett vorfand.
Achselzuckend schauten sich Lindt und Wellmann an, als sie wieder im Wagen saßen und die Adresse in der Nähe des Hauptbahnhofs ansteuerten, wo Anna Kraus bis im November des vergangenen Jahres gewohnt hatte.
»Hat uns eigentlich nicht wirklich weitergebracht«,
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