Zuckerblut
zuletzt Aufsätze in juristischen Fachzeitschriften veröffentlicht. Diese Artikel hat er sicherlich auf seiner alten Schreibmaschine getippt und bestimmt auch unterschrieben. Wir müssten also nur herausfinden, in welchen Zeitschriften etwas von ihm gedruckt wurde und dann dort mal nachfragen. Die Originale sind doch bestimmt archiviert.«
Jan Sternberg war schon aufgesprungen und zur Tür geeilt: »Ich schaue gleich im Internet nach. Da gibt es ja auch Suchmaschinen für den Rechtsbereich.«
»Gut«, stimmte sein Vorgesetzter zu, »vielleicht findet sich dort was. Ich rufe parallel dazu bei unserem Staatsanwalt an, den wollte ich ohnehin noch über den jungen Baumbach ausfragen. Der müsste nach seinem kurzen Urlaub eigentlich wieder im Dienst sein.«
Erfreut hörte der Kommissar die Stimme von Tilmann Conradi aus dem Telefonhörer. Der kleine Staatsanwalt, mit dem der Kommissar einen sehr vertrauensvollen Umgang pflegte, war gerade erst von der gefürchteten Lea Frey über den aktuellen Stand der Ermittlungen im Mordfall Andrea Helmholz informiert worden.
Er hörte sich Lindts kurzen Bericht mit der neuen Spur in Richtung des Rechtsanwalts aufmerksam an. Er konnte sich zwar noch keinen Reim darauf machen, wieso juristische Fachartikel von Richter a.D. Alfons Baumbach für die Ermittlungen von Bedeutung waren, aber versprach, gleich in den Inhaltsverzeichnissen der Fachzeitschriften zu suchen.
Wie der Kommissar vermutet hatte, wusste Conradi über die beiden, den Alten und seinen Neffen, gut Bescheid.
»Auch, wenn sie den selben Namen tragen, unterschiedlicher können zwei Juristen und zwei Charaktere eigentlich nicht sein«, begann der Staatsanwalt seine Einschätzung vorzutragen. »Der alte Richter war eine wirklich anerkannte und geachtete Kapazität im Zivilrecht. Ich hatte das Glück, ihn kennen zu lernen, während ich am Landgericht Referendar war und kann nur bestätigen, dass er ein durch und durch honoriger Mensch war. Der junge Baumbach dagegen, sein Neffe also, hat mehrfach versucht, in den Staatsdienst zu kommen, aber es ist ihm glücklicherweise nicht gelungen. Einmal habe ich sogar das Gerücht gehört, sein eigener Onkel hätte sich gegen ihn ausgesprochen, aber das war, wie gesagt, nur ein Gerücht, denn schließlich hatte der Alte außer ihm gar keine anderen Verwandten.«
Der Kommissar war neugierig geworden: »Hatten Sie denn auch bei Gerichtsverhandlungen mit ihm zu tun?«
»Mit dem Jungen, meinen Sie? Na, und ob!«, ereiferte sich der Staatsanwalt. »Wenn ich dessen Namen als Verteidiger in den Akten sehe, dann reicht es mir schon. Ein Anwalt, der hart kämpft, um für seine Mandantschaft möglichst viel herauszuholen, das ist okay. Aber was der Baumbach da regelmäßig ablieferte, hat mit einem fairen Verhalten absolut nichts mehr zu tun!«
Lindts Erstaunen über die Worte von Conradi wurde immer größer. Dass sich der ›Kurze‹ so in Rage reden konnte, war ihm wirklich neu. Bisher war es immer der Staatsanwalt gewesen, der bei schwierigen Ermittlungen und empörenden Erkenntnissen die Erregung der Kripo-Beamten gedämpft und sie auf die sachliche Ebene zurückgebracht hatte.
»Die unterste Schublade der Trickkiste hat dieser Rechtsanwalt geöffnet – und nicht nur einmal. Entsprechend waren auch die Klienten, die er vertrat. Einmal quer durch die Karlsruher Halbwelt, Rotlichtszene, Anlagebetrüger und andere Gangster aller Couleur.«
»Also die, denen man hinter dem Schlossgarten im Wald begegnet, mit Schlangenlederstiefeln und zwei Pitbulls an der kurzen Leine.«
»Ja, die gehören zu seinen Mandanten, aber auch die unauffälligen mit dem weißen Kragen, wenn Sie wissen, was ich meine.«
Obwohl es der Staatsanwalt durch das Telefon nicht sehen konnte, nickte Lindt heftig vor sich hin. »Diese Sorte Ganoven fällt zwar nicht in unser Ressort, Herr Conradi, aber ich kann mir gut vorstellen, wen sie im Auge haben. Bestimmt solche, die gutgläubige Mitmenschen mit falschen Versprechungen um ihr Hab und Gut bringen.«
»Ganz genau und Sie wissen bestimmt, wie mühselig es ist, in Betrugsfällen stichhaltige Beweise herbeizuschaffen, denn meistens schämen sich die Opfer noch, dass sie so dumm waren, auf diese Kerle hereinzufallen. Wenn wir aber wirklich mal einen am Wickel hatten und meinten, genügend belastendes Material vorlegen zu können, kam im Gerichtssaal der große Auftritt des feinen Herrn Baumbach. Mit einem vordergründig superfreundlichen Verhalten und
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