Zuckerblut
sind auf einer total heißen Spur und brauchen dringend deine unschätzbar wertvolle Hilfe«, antwortete Lindt mit betont schmeichelndem Ton. »Wir werden es im Bericht auch dreimal unterstreichen, welch entscheidenden Beitrag die KTU zur Aufklärung des Falles geleistet hat.«
»Du brauchst mir gar nicht so den Bart zu kraulen, Oskar, ich habe nämlich keinen, falls du dich noch erinnern kannst. Bei diesem süßlichen Tonfall muss ich ja doch wieder eine Nachtschicht einlegen. Jetzt red nicht lang um den heißen Brei herum!«
»Brei haben wir nicht, aber einen heißen Kaffee, den besten im ganzen Präsidium, wie unser Staatsanwalt immer sagt. Den kann ich dir versprechen, wenn du das richtige Ergebnis ablieferst. Ich möchte gerne wissen, ob du das Alter von Tinte bestimmen kannst.«
»Das Alter von Tinte ...«, wiederholte der Techniker gedehnt und nachdenklich. »Auf der Verpackung steht doch bestimmt ein Produktionsdatum drauf.«
»Natürlich nicht von flüssiger Tinte. Wir müssen das Alter einer Unterschrift bestimmen.«
»Ach so, Tinte auf Papier, tja ...« Einige Sekunden schwieg Ludwig Willms. »Ich glaube«, sagte er schließlich, »ich glaube, da gibt es was. Aber ich muss zuerst nachlesen.«
»Danke, genügt schon, bis gleich!«, antwortete Oskar Lindt und legte schnell auf, um nicht noch irgendwelche abwehrenden Äußerungen zu bekommen.
»Wenn ich das richtig verstanden habe«, resümierte Staatsanwalt Conradi, »soll das Labor über das Alter der Tinte bestimmen, wann dieses Schriftstück unterschrieben wurde.«
»Richtig«, bestätigte Lindt, »die Verfügung ist laut Datum vor zwei Jahren geschrieben worden. Falls das Labor jetzt nachweisen könnte, dass die Unterschrift noch nicht so alt ist, ja, möglicherweise erst nach dem Tod des Richters getätigt wurde, dann hätten wir ihn doch!«
»Langsam, langsam«, dämpfte der ›Kurze‹ die Euphorie des Kommissars. »Wir hätten dann zwar ein wichtiges Indiz, aber bis zum Beweis, so hieb- und stichfest, dass ihn ein Gericht anerkennen kann, würde uns leider noch sehr viel fehlen. Erstens müssten wir nachweisen, dass tatsächlich der junge Baumbach und kein anderer dieses Dokument gefälscht hat. Zweitens, dass er es getan hat, um durch die Feuerbestattung seines Onkels eine mögliche Obduktion der Leiche zu verhindern und drittens, dass er dadurch die Spuren eines von ihm begangenen Mordes vernichtet hat.« Conradi stöhnte: »Das wird auf jeden Fall noch ein langer Weg.«
Lindt wurde nachdenklich: »Da haben Sie natürlich Recht, aber in diesem Fall müssten wir es einfach andersrum betrachten. Falls die Prüfung im Labor ergibt, dass die Tinte der Unterschrift tatsächlich so alt ist, wie das Datum des Schreibens angibt, dann ist wenigstens klar, dass wir in dieser Richtung nicht weiter ermitteln müssen.«
»Das wird nicht einfach, Oskar«, begrüßte Ludwig Willms seinen alten Freund. »Möglicherweise brauchen wir sogar die Spezialisten vom LKA.«
»Oje, dann kann es dauern«, stöhnte der Kommissar. Mit der Arbeitsgeschwindigkeit der schwerfälligen Großbehörde in der Landeshauptstadt hatte er nicht die besten Erfahrungen.
Willms beruhigte ihn: »In letzter Zeit haben die ihre schwäbische Gemütlichkeit anscheinend abgelegt. Wir hatten erst vor zwei Wochen eine DNA-Analyse in Auftrag gegeben und das Ergebnis kam schon am nächsten Tag.«
Der Leiter der Karlsruher Kriminaltechnik zeigte seinem Kollegen verschiedene Internet-Seiten, die er auf der Suche nach dem richtigen Vorgehen mittlerweile aufgerufen hatte: »Hier zum Beispiel: Das Alter von Kugelschreibertinte lässt sich gar nicht bestimmen, lediglich in Amerika soll das möglich sein.«
»Prinzipiell«, unterbrach ihn Lindt, »glaube ich nicht alles, was angeblich da drüben in den Staaten passiert und wenn es im Internet steht, gleich zweimal nicht. Du kennst doch die Steigerung: Lüge – Meineid – Internet!«
Beide lachten und der Kommissar fuhr fort: »Außerdem sieht das hier ...«, er zeigte auf die Unterschrift des Richters, »... meiner Ansicht nach nicht wie Kugelschreiber aus.«
Willms nahm das Blatt und legte es unter eine große stationäre Leuchtlupe. Nach eingehender Betrachtung bestätigte er die Ansicht des Ermittlers.
»Du hast schon Recht, Oskar. Hier zeichnet sich der Strich der Feder ganz deutlich ab. Diese Unterschrift wurde mit einem Füllfederhalter geleistet. Kugelschreiber scheidet aus, genauso wie auch Tintenroller oder irgendein
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