Zuckerblut
Umzugsgut gefunden und müssten mal dringend checken, was da alles drauf ist.«
Sternberg schaute zu seinem Vorgesetzten, doch Lindt nickte und hatte nichts gegen eine abteilungsübergreifende Arbeit. »Du hast ja ohnehin schon einiges über diese Weinbrechts recherchiert. Da kannst du in der KTU grad damit weitermachen.«
Sternberg freute sich, denn solche Aufgaben übernahm er immer sehr gerne. »Was ich bisher herausgefunden habe, liegt auf ihrem Schreibtisch, Chef. Allerdings ist nichts Auffälliges dabei – leider.«
Er zuckte mit den Schultern und verschwand zusammen mit Willms in Richtung KTU.
»Also, Paul«, wandte sich Lindt dann an seinen Kollegen. »Was machen wir jetzt?«, doch diese Frage beantwortete er sich umgehend selbst. »Natürlich ins Krankenhaus fahren! Wir müssen ja endlich mal nach Weinbrecht sehen, wo wir ihn doch so gejagt haben.«
»Gut, dass dieser Langholzlaster zur rechten Zeit am rechten Ort stand. Sonst hätte der uns im Wald mit seinem Geländewagen bestimmt abgehängt«, meinte Paul Wellmann, als sie kurze Zeit später das Klinikum ansteuerten.
Lindt nickte bloß. »Manchmal brauchen wir eben auch ein wenig Glück, sozusagen einen Zufall zur richtigen Zeit. Es war ja auch purer Zufall, dass ich im Hotel dieses Gespräch zwischen Weinbrecht und seiner Frau mitbekommen habe.«
Sein Kollege blätterte während der Fahrt im Bericht, den ihnen Jan Sternberg erstellt hatte.
»Hier steht, dass diese Frau Weinbrecht aus Ex-Jugoslawien stammt, aus Kroatien genauer gesagt.«
»Das wundert mich nicht, Paul. So einen leicht östlichen Einschlag in ihrer Aussprache habe ich beim Lauschen deutlich bemerkt.«
»Die ist uns wohl durch die Lappen gegangen.« Er zeigte auf Sternbergs Bericht: »Jan hat noch die Bestätigung vom Frankfurter Flughafen bekommen, dass sie schon gestern Abend nach Zagreb abgeflogen ist.«
»Das ist natürlich blöd, aber wir haben ja noch den Mann, den guten Harald. ›Pflegedienst Weinbrecht – Mit Herz und Verstand‹, meinte Lindt, als er auf den Parkplatz des Klinikums einbog, »jetzt wollen wir ihn doch mal fragen, warum er denn so schnell vor uns abgehauen ist.«
19
Die beiden Kriminalkommissare erreichten die Unfallchirurgie, wo ein uniformierter Polizist neben der letzten Zimmertür des Ganges auf einem Stuhl saß und Wache hielt.
»Na, gibt’s was Neues?«, begrüßte ihn Lindt.
Der Schutzmann zuckte die Schultern. »Er schweigt und schweigt und ...«
»Ist ja gut«, unterbrach ihn der Kommissar. »Wir schauen mal rein. Ach, wo ist denn Ihr Kollege? Ich hatte doch zwei Beamte bestellt.«
»Leider die meiste Zeit auf dem Klo. Der Kartoffelsalat bei seinem Mittagessen war wohl nicht mehr ganz frisch.«
»Kann ja mal vorkommen«, brummte Lindt und öffnete die Tür zum Krankenzimmer.
Ein Schreck durchfuhr ihn.
Das Zimmer war leer.
»Der ist weg!« Lindt war außer sich, so dass er das Geplätscher aus der Dusche, die vom Zimmer abgeteilt war, nicht bemerkte.
Der Kommissar beruhigte sich erst, als ihn Paul Wellmann darauf hinwies.
»Na dann ... ich hatte schon gedacht ...«
Ein Windstoß lies einen nicht geschlossenen Fensterflügel auffahren.
Schlagartig ahnte Lindt Schlimmes.
Mit drei großen Schritten erreichte er die Dusche, riss die Tür auf und ... Nichts! Die Kabine war leer, nur das Wasser hatte jemand laufen lassen.
Der Kommissar hastete zum offenen Fenster und warf einen Blick nach draußen. Erster Stock, nicht so hoch, neben dem Fenster das Fallrohr der Regenrinne und darunter einige hohe Sträucher.
So eine Blamage!
Vor seinem geistigen Auge sah der Karlsruher Chef-Ermittler schon die Schlagzeilen in den ›Badischen Neuesten Nachrichten‹: ›Verdächtiger flieht trotz Bewachung aus Klinikum‹ – ›Polizei versagt – Mutmaßlicher Mörder entkommt.‹ – ›Ist unsere Stadt noch sicher?‹
»Paul, mach Meldung an die Zentrale«, forderte der Kommissar schwer schnaufend seinen Kollegen auf. »Ich kann nicht.« Lindt musste erst einmal durchatmen und ließ sich krachend auf einen der dünn gepolsterten Krankenhausstühle fallen.
Der Schutzpolizist hatte alles mitbekommen und wäre am liebsten in den Erdboden versunken und auch sein Kollege, der zwischenzeitlich von seinem siebten Toilettengang zurückgekehrt war stand ganz bedeppert in der Ecke.
Weit konnte Weinbrecht noch nicht gekommen sein, denn erst vor knapp zehn Minuten hatte er seinen beiden Bewachern gesagt, dass er jetzt unter die Dusche
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