Zuckerguss (German Edition)
Luchsaugen meines Vaters. Herrlich! Mit einem Freund, den es eigentlich gar nicht gibt. Na, wunderbar! Und für all das soll ich meiner Schwester jetzt auch noch dankbar sein? Sicher nicht!
Hätte ich nur diese verdammten freien Tage nicht erwähnt! Dann hätte ich diesen ganzen Wust an Problemen nämlich gar nicht erst, sondern könnte stattdessen entspannt im Zug nach Hannover sitzen. Nach mir die Sintflut. Aber ich musste ja meine Klappe so weit aufreißen. Das hab ich nun davon. Verflixt und zugenäht!
»Ich hab dir Zeit und Gelegenheit verschafft. Du bleibst ein paar Tage, amüsierst dich mit David, guckst ab und an in der Bäckerei vorbei, um gut Wetter bei Papa und Alex zu machen, und sprichst dich nebenbei mit dem alten Herren aus. Alles ganz easy.«
»Easy?« Meine Schwester muss den Verstand verloren haben!
Ich will gar nicht erst darüber nachdenken, was sie mir mit ihrer brillanten Idee für zusätzliche Probleme eingebrockt hat. Die Situation mit David zu klären scheint mir das kleinste Problem zu sein.
Bisher dachte ich, Anwälte sehen die Dinge im großen Zusammenhang. Also entweder ist meine Schwester eine schlechte Anwältin oder unheimlich naiv. Sie denkt doch nicht wirklich, dass mein Vater und ich uns jemals aussprechen – oder sogar versöhnen werden. Lachhaft!
Ruckartig erhebe ich mich, so dass der Stuhl über die Bodenfliesen kratzt. Wütend stemme ich meine Arme auf den Tisch und mustere meine dreiste Schwester aus zusammengekniffenen Augen. »Das zahle ich dir eines Tages heim. Darauf kannst du dich verlassen!« Dann rausche ich türenknallend aus der Küche.
»Du kannst mir später danken«, ruft sie mir vergnügt hinterher.
»Ich könnte meiner Schwester den Hals umdrehen!«
Am Nachmittag sitzen Olli und ich in einem Straßencafé in der Altstadt. Ich mit dicker Sonnenbrille auf der Nase, Olli mit einem fetten Grinsen auf den Lippen. Er findet die ganze Geschichte urkomisch. Logisch. Ihn betrifft es schließlich nicht.
»Du musst zugeben, deine Schwester ist äußerst raffiniert.«
»Meine Schwester ist ein Miststück«, knirsche ich missmutig. Natürlich meine ich das nicht ernst. Aber momentan möchte ich Eva nur zu gerne auf den Mond schießen.
»Deinen verlängerten Aufenthalt hast du dir selbst zuzuschreiben«, meint Olli gelassen. »Hättest du deiner Familie gleich reinen Wein eingeschenkt, wäre es erst gar nicht so weit gekommen.«
Schön, dass ich mir von meinem besten Freund ebenfalls Vorwürfe anhören darf! Mein Tag ist noch nicht beschissen genug.
Olli streckt die Beine von sich und verschränkt die Arme im Nacken. »Was hast du nun vor?«
»Wenn ich das wüsste.«
»Sieh es positiv, es hätte schlimmer kommen können.«
Noch schlimmer als mindestens eine weitere Woche in Wismar bei meinen Eltern zu bleiben, Zeit mit meinem angeblichen Freund verbringen zu müssen und so zu tun, als ob ich beruflich die tolle Karrierefrau wäre, die eine neue Herausforderung sucht? In meinen Augen ist das schrecklich genug.
»Mir geht es gleich viel besser.«
»Siehst du.«
Amüsiert schüttele ich den Kopf. Olli und sein Optimismus. Den bringt echt nichts aus der Ruhe.
Ich nehme einen Schluck von meinem Latte macchiato. »Möchte mal wissen, wie Eva sich das mit Papa vorstellt. Mein Vater ist der felsenfesten Überzeugung, dass ich mein Leben nur deshalb nicht auf die Reihe kriege, weil ich ihn ärgern will.«
Olli tippt mir auf die Nasenspitze. »Beweis ihm einfach das Gegenteil.«
»Und wie?«
»Indem du ihm zeigst, was in dir steckt. Du hast erwähnt, dass deine Eltern glauben, du würdest bei der Zeitung in Hannover arbeiten. Wenn du eine neue Herausforderung suchst, warum fängst du nicht beim Wismarer Tageblatt an?«
»Das ist dein toller Plan?« Mir steht die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben.
»Ist doch perfekt«, entgegnet er sonnig. Seine Nerven möchte ich haben.
»Ich soll von einer führenden Zeitung Deutschlands zu einem Provinzblatt wechseln? Das kann nicht dein Ernst sein!«
»Das mit dem Provinzblatt habe ich überhört. Ob du es glaubst oder nicht, aber nicht nur drei Leute auf dem Dorf lesen unsere Zeitung«, klärt er mich auf, nicht im mindesten beleidigt. »Im Übrigen: Muss ich dich erst daran erinnern, dass du momentan bei gar keiner Zeitung arbeitest, sondern studierst?«
»Okay, okay«, gebe ich mich geschlagen.
»Wie dem auch sei«, fährt er unbeirrt fort, »während du in Wismar bist, kannst du nebenbei als freie Redakteurin
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