Zuckerguss (German Edition)
bin. Ein kosmischer Lichtreflex, der ihr meine Anwesenheit vorgaukelt.
»Gezwungenermaßen.«
»Ich hatte angenommen, du wärst längst abgereist«, antwortet sie völlig verdattert.
»Das war der Plan.« Ich nehme mir einen Pappbecher vom Stapel und stelle ihn unter die Kaffeemaschine. Mit einem Rumpeln setzt sich die in die Jahre gekommene Maschine in Gang. »Bis mir meine feine Schwester einen Strich durch die Rechnung gemacht hat.«
Ich könnte Eva nach wie vor den Hals umdrehen. In weiser Voraussicht ist sie daher gleich nach dem Frühstück gestern geflüchtet. Ab nach Hamburg. Zu ihrem superwichtigen Prozess. Mich hat sie ohne einen Abschiedsgruß in der Höhle des Löwen zurückgelassen. Das gab mir Grund genug, am Abend einer Flasche Rotwein zuzuprosten und zwei Tüten Erdnussflips zu killen. So viel zu meinem guten Vorsatz, die Finger vom Alkohol zu lassen.
»Was hat Eva sich denn zuschulden kommen lassen?«, will Regine wissen.
»Die Frage ist eher, was sie nicht getan hat. Zum Beispiel, mir beizustehen. Stattdessen fällt sie mir schamlos in den Rücken; und das Schlimmste ist, sie glaubt, mir damit einen Gefallen getan zu haben«, schimpfe ich wie ein Rohrspatz.
Regine schiebt mir wortlos einen Teller mit einem Käsebrötchen zu. Nervennahrung.
»Ihrer Meinung nach bieten meine freien Tage nämlich eine exzellente Gelegenheit, um mich mit meinem Vater auszusprechen. Und Mama freue sich, wenn ich länger bleibe. Sagt Eva. Wo ich ja so lange durch Abwesenheit geglänzt habe. Hmpf, warum bloß?!«
Zu was für einem Blödsinn habe ich mich da bloß wieder von meiner Schwester bequatschen lassen? Ich sollte ihr wirklich entschiedener die Stirn bieten, damit ich nicht andauernd in so einen Schlamassel gerate.
Aber eigentlich hat Olli ja recht, wie ich zähneknirschend zugeben muss. Hätte ich die Karten gleich offen auf den Tisch gelegt, dann würde ich jetzt nicht bis zum Hals in der Scheiße sitzen. Ich hätte vor allem nicht diesen dämlichen Freund erfinden sollen, den ich nun auch noch an der Backe habe. Die Sache mit David bringt mich nämlich richtig in die Bredouille, so viel steht fest.
»Da liegt sie nicht ganz falsch«, wagt Regine einzuwerfen. Ich bringe sie mit einem finsteren Blick zum Schweigen.
»Papa und ich werden uns niemals versöhnen. Wir haben viel zu verschiedene Ansichten, als dass wir je auf einen gemeinsamen Nenner kommen würden. Aber auf dem Ohr ist diese harmoniesüchtige Person taub.« Frustriert beiße ich in das Käsebrötchen.
»Na, na.« Regine droht spielerisch mit dem Finger. Da im Laden momentan wenig los ist, setzt sie sich auf einen Stuhl in der Ecke und streckt die müden Beine von sich. Wenn nicht dieses schalkhafte Leuchten in ihren Augen wäre, würde sie älter aussehen, als sie eigentlich ist. Siebenunddreißig Jahre Bäckereifachverkäuferin sind an ihr nicht spurlos vorübergegangen.
Ich nehme einen Schluck von meinem Kaffee. »Dank Eva und meiner Mutter bleibe ich Wismar also vorerst erhalten.« Ich lache gespielt auf. »Hurra.«
»Du hättest es schlimmer treffen können«, erwidert Regine pragmatisch. »Du hast den Strand vor der Tür; selbst das Kulturprogramm ist in den letzten Jahren deutlich verbessert worden.« Ich werfe ihr einen genervten Blick zu. »Stell dir mal vor, du müsstest Urlaub in Sibirien machen …«, meint Regine mit einem Augenzwinkern, das mich aufmuntern soll, aber genau das Gegenteil bewirkt.
»Wenigstens würde dort nicht die Gefahr bestehen, David Vahrenberg ständig über den Weg zu laufen«, knirsche ich und drücke unweigerlich den Becher fester in der Hand zusammen.
»David Vahrenberg?«, fragt Regine verständnislos.
»Mein furchtbar vernachlässigter Freund.« Ich höre mich an, als ob ich eine Schlange mit der Kneifzange anfassen müsste.
Regine setzt sich aufrecht hin. »Du hast einen Märchenprinzen!«, jubiliert sie, stolz auf sich, dass sie es von Anfang an gewusst hat. Gespannt sieht sie mich an, eifrig auf Details wartend.
Ich setze mich auf die ausgetretenen Holzstufen zum Kontor und beschließe, Regine die Wahrheit zu sagen. Die jahrelange Vertrautheit siegt. Mit wenigen Worten berichte ich, wie ich zu meinem tollen neuen Freund gekommen bin. Natürlich spare ich die pikanten Details aus. Vertrautheit hin oder her, Regine muss nicht alles wissen. Die Angelegenheit ist peinlich genug.
»Du kommst vielleicht auf Ideen, Miriam!«, staunt sie, als ich geendet habe. »Warum hast du deinen Eltern denn
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