Zuckerguss (German Edition)
arbeiten. Solche Leute können wir immer gebrauchen. Damit zeigst du deinem Vater, dass du dir durchaus Gedanken um deine berufliche Zukunft machst und nicht allein Tagträumen hinterherjagst.«
Mit meiner Hand mache ich Scheibenwischerbewegungen vor meinem Gesicht. »Du spinnst!«
»Warum?«
»Lokalredakteurin.« Unweigerlich muss ich lachen. »Olli, ehrlich. Ich bin gänzlich untalentiert, was das Schreiben angeht.«
»Ich fand deine Artikel in der Schülerzeitung klasse.«
Ich schiebe mir die Sonnenbrille in die Haare und schaue ihn vielsagend an. »Du bist ja auch mein Freund.«
»Wirklich. Du hast ein Gespür dafür, wie man Themen schriftlich umsetzen muss.«
»Angenommen, ich würde mitmachen«, komme ich auf seinen Vorschlag zurück, »wie sieht das denn aus, wenn ich nach einer Woche wieder alles hinwerfe? Da würde sich mein Vater in seiner Meinung nur bestätigt fühlen.«
Olli winkt ab. »Du schreibst ein, zwei Artikel und erklärst deinem Vater am Ende deines Urlaubs« – ich ziehe bei dem Wort eine Grimasse –, »dass dir dein alter Job nach dieser Erfahrung bedeutend besser gefällt. Was ich durchaus nachvollziehen kann. Tolle Eröffnungspartys und politische Skandale sind definitiv spannender als Oma Hertas neunzigster Geburtstag.«
Ich rühre gedankenverloren in meinem Latte macchiato. »Ich frage mich wirklich, wer von uns beiden der größere Lügner ist.«
» Du hast mit dieser ganzen Schwindelei angefangen!«
Ich seufze. »Ich weiß.«
Von der Wasserkunst weht Stimmengewirr zu uns herüber. Der Stadtführer erklärt einer japanischen Touristengruppe gerade in seinem schlechtesten Englisch die kunsthistorische Baugeschichte des Gebäudes. Die Japaner zücken eifrig ihre Fotoapparate und knipsen das Bauwerk aus allen möglichen und unmöglichen Winkeln. Wahrscheinlich ist es einfacher, eine Stadt und deren Schönheit zu beurteilen, wenn man nicht selbst dort wohnt. Ich habe von vielen gehört, dass sie Hannover furchtbar finden. Sehe ich nicht so. Natürlich gibt es auch in Hannover Ecken, die man nicht unbedingt seinem Besuch zeigen sollte, aber im Großen und Ganzen ist es eine ganz nette Stadt – und die Shoppingmöglichkeiten sollte man keinesfalls unterschätzen. Aber vermutlich würde ich als Provinzei jede x-beliebige Großstadt toll finden.
»Was ist eigentlich mit David?«, erkundigt sich Olli nach einer Weile.
»Was soll mit ihm sein?«, frage ich verunsichert.
Olli guckt mich durchdringend an.
Ich verdrehe die Augen himmelwärts. »Du kannst dir diesen Blick sparen! Zwischen David und mir läuft nichts. Niente. Nix. Nada.«
»Soso«, zieht Olli mich auf, »da hatte ich gestern aber einen anderen Eindruck. So wie ihr zwei …«
»Themenwechsel«, falle ich ihm barsch ins Wort.
Er grinst frech. »Jetzt ist mein journalistisches Gespür geweckt.«
»Schön«, antworte ich betont gleichgültig, »dann heb es dir am besten für deinen nächsten Artikel auf!«
»Da ist eindeutig jemand sexuell frustriert.«
Ich kralle meine Finger in die Tischkante. »Ich will darüber nicht reden, okay? Die ganze Aktion ist ohnehin nicht mehr an Peinlichkeit zu überbieten.«
»Was ist passiert?«, will Olli neugierig wissen.
»Nichts.«
»Ich kann David fragen.«
» WAS ?«
»Ja, wir sind gewissermaßen befreundet. Durch unsere Jobs sehen wir uns hin und wieder. Manchmal gehen wir zusammen ein Bier trinken.«
Und das erfahre ich erst jetzt?! Ganz toll. Das Dilemma, in das ich mich hineinmanövriert habe, ist noch nicht groß genug.
Schonungslos berichte ich Olli von meinen zwei Zusammentreffen mit David. Auch die oberpeinliche Aktion vor der Bäckerei lasse ich nicht aus.
»Du hast David allen Ernstes für einen Callboy gehalten?«, fragt er mich zweifelnd.
Ich möchte im Erdboden versinken. So wie Olli es ausspricht, klingt es noch absurder, als es ohnehin schon ist. »Nicht direkt. Eher für einen Touristen«, druckse ich herum.
»Aber du hast ihm angeboten, ihn dafür zu bezahlen, dass er deinen Freund spielt. Korrigiere mich, aber das hört sich sehr nach den Sitten im horizontalen Gewerbe an.«
»Na ja, mir ist das einfach so rausgerutscht«, versuche ich mich zu rechtfertigen. »Falls es dich beruhigt, David hat bisher keinen Cent bekommen.« Ich presse meine eiskalten Hände auf meine glühenden Wangen und bete inständig, dass der Boden sich unter mir auftut.
Olli starrt mich mit großen Augen an. Um seine Mundwinkel zuckt es verdächtig. Er kämpft mit sich, aber
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