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Zuckerguss (German Edition)

Zuckerguss (German Edition)

Titel: Zuckerguss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anica Schriever
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beschäftigt.«
    »Sieh an. Ich hätte nicht gedacht, dass du dich dazu herablässt«, meint er süffisant, die Hände in den Hosentaschen vergraben. »Noch vor zwei Tagen wolltest du keinen Finger krumm machen.«
    »Ich tu’s auch nur Regine zuliebe. Glaub mir, das ist eine einmalige Sache«, antworte ich gereizt. Die selbstgerechte Art meines Bruders bringt mich regelrecht auf die Palme. Was bildet er sich ein? Ich springe ein, wenn Not am Mann ist, so dass der Laden am Laufen bleibt, und statt eines Dankeschöns pflaumt er mich an.
    »Einen Nachmittag auszuhelfen bringt dir keineswegs die Absolution ein«, erwidert er patzig. Die ansonsten hellblauen Augen sind dunkel wie ein Gewitterhimmel, sie starren mich feindselig an.
    Ich hole tief Luft. »Was ist eigentlich dein Problem?«
    »Du. Du bist mein Problem. Du tauchst nach Jahren wie aus dem Nichts wieder auf und glaubst, alles ist in Butter. Ich muss dich enttäuschen, das ist es nicht! Hast du dir in den vergangenen Jahren ein einziges Mal überlegt, was du mir mit deinem unüberlegten Handeln angetan hast? Natürlich nicht. Wozu auch? Was geht dich dein kleiner Bruder an, der seine Zukunftspläne begraben und von heute auf morgen plötzlich Bäcker werden musste. Dass dein Handeln Konsequenzen hatte, war dir scheißegal. Ich durfte deine Fehler ausbügeln. Erwarte also bitte nicht von mir, dass ich dir dafür um den Hals falle.« Er klingt resigniert, den Blick starr auf einen imaginären Punkt über mir geheftet.
    Ich trete einen Schritt auf Alex zu. Vorsichtig will ich ihm meine Hand auf die Schulter legen, aber er schlägt sie weg. »Du weißt genauso gut wie ich, dass das mit Papa und mir auf Dauer nie gutgegangen wäre.«
    Mein Bruder tritt frustriert gegen die Holztreppe. Die Treppe bleibt Sieger. Er verzieht schmerzvoll das Gesicht. »Du hast dich vor der Verantwortung gedrückt!«, schleudert er mir entgegen.
    »Das ist Quatsch! Aber in dieser Beziehung verstehst du mich ebenso wenig wie Papa«, antworte ich bitter.
    »Stimmt. An mir bleibt schließlich alles hängen. Ich muss Papas Launen ertragen, mir jeden Tag anhören, dass ich kein würdiger Nachfolger bin. Er überträgt mir kein bisschen Selbstverantwortung. Kannst du dir annähernd vorstellen, was das für ein Gefühl ist?« Alex sieht mit einem Mal aus wie ein kleiner Junge, der sich nach Liebe und Anerkennung sehnt.
    »Du hättest ja auch nein sagen können«, werfe ich vorsichtig ein und ziehe automatisch den Kopf ein.
    Alex schaut mich an, als ob ich nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte. »Ja, sicher.« Er lacht freudlos. »Papas Gesicht hätte ich sehen wollen, wenn ich nun auch noch angekommen wäre, dass ich auf den Laden keinen Bock habe. Aber darum geht es auch gar nicht.«
    »Sondern?«
    »Darum, dass du nicht über die Konsequenzen nachdenkst. Du hast Papa mit der Bäckerei sitzen gelassen. Natürlich musste ich dann einspringen. Was denkst du denn?« Ich will ihn unterbrechen, doch er bringt mich mit einer energischen Handbewegung zum Schweigen. »Ja, ich hätte nein sagen können. Aber ich konnte nicht. Das konnte ich Papa nicht antun. Nicht nach allem, was mit dir vorgefallen ist. Es kotzt mich dermaßen an, dass du in deiner selbstgerechten Art und Weise nicht begreifen willst, warum ich eben nicht nein sagen konnte. Weil du einfach nicht nachdenkst.«
    Trotz all der anklagenden Worte tut mir Alex gerade unheimlich leid. Er hat recht, ich habe nicht an ihn gedacht. Ich wollte bloß weg aus Wismar. Weg von meinem Vater und seinen Ansprüchen. Dass Alex am Ende der Leidtragende ist, habe ich nicht bedacht. Vielleicht wollte ich mir auch nur einreden, dass alles in Ordnung kommen wird. Habe ich mit meinem egoistischen Verhalten für immer Alex’ Vertrauen verloren?
    Ich fahre mir mit allen zehn Fingern durch die Haare. »Ich kann mir kein Urteil erlauben, aber ich dachte wirklich, dass du glücklich wärst. Die Bäckerei scheint dein Leben geworden zu sein. Und ich weiß einfach, dass du irgendwann ein großartiger Bäckereiinhaber sein wirst, Alex. Ein viel besserer, als ich es je geworden wäre. Du bist vernünftiger und weitsichtiger als ich. Und das meine ich als Kompliment. Irgendwann wird Papa einsehen, dass du der Richtige für seine Nachfolge bist.« Ich zwinkere Alex optimistisch zu.
    Er verschränkt die Arme vor der Brust. »Und wieso hofft Papa dann insgeheim, dass du die Bäckerei doch noch übernehmen wirst?«, fragt er herausfordernd.
    »So ein Stuss!«, lache

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